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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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und um die Ofenringe herum Rauch-ränder hochblies. Das nackte Elend des Februar. Des März, April. Schnee bis Ende Mai. Schauderte.
    Na schön, das Leben hatte sie abgehärtet, sie hatte sich allein entlang der rauhen Küsten durchgeschlagen, hatte ihre Segel ausgebessert und geflickt, zerschlissene Ausrüstung durch starken, geeigneten Stoff ersetzt. Sie hatte sich von den Felsen und Untiefen fortgearbeitet. Hatte es geschafft. Schaffte es immer noch.
    Die Luft prickelte. Fernes Eis schob sich herab. Am wolkenlosen Himmel bildeten sich Schneekristalle wie Fetzen aus durchsichtigem Plastik, kamen aus dem Nichts. Sie stapfte zum Haus zurück, die Kälte in ihren Nasenlöchern wie der Geruch nach Verbranntem. Mußte die Wettervorhersage hören. Die lange Fahrt um die Bucht. Sie konnten die Dinge nicht länger aufschieben.
    Drinnen hängte sie ihren Mantel auf, drapierte den Hut auf der Stoffschulter, steckte die gefütterten schwarzen Handschuhe in die rechte Tasche. Ordentlich, die Finger nach innen, daß die Bünde schlaff herunterhingen.
    Der Neffe las ihnen vor. Könnte auch gleich mit dem Kochen anfangen. Etwas Einfaches. Pfannkuchen. Und dachte, Mehl in die Schüssel schüttend, an den kommenden Schnee. Sie mußten darüber reden. Der erste Sturm konnte die Straße dichtmachen. Er wußte es bestimmt nicht.
    Der Wind pfiff über das Gestrüpp daher, ächzte durch die Haustrossen.
    »Essen!« rief die Tante. Wie laut ihre Stimme in dem halbmöblierten Raum war.
    »Was würde ich jetzt nicht dafür geben«, sagte sie plötzlich zu Quoyle, der mit der Gabel einen Pfannkuchen auf seinen kalten Teller schob, »in einem guten Restaurant ein schönes Abendessen zu genießen und mir danach im Kino einen guten Film anzuschauen. Was würde ich nicht dafür geben, morgen rauszugehen und in einen geheizten Bus einzusteigen, anstatt in diesem Lastwagen um die ganze Bucht zu fahren. Ich sag’s dir ganz offen, der Winter fängt an, mich zu schrecken.«
    Als hätte er darauf gewartet, daß die Jahreszeit angekündigt wurde, setzte der Schnee ein, schnippte ein paar Flocken gegen die Fenster.
    »Siehst du?« sagte die Tante, als hätte ein Verbündeter sie bei einer Auseinandersetzung unterstützt.
    Quoyle kaute seinen Mundvoll Pfannkuchen, schluckte Tee. Er hatte darüber nachgedacht.
    »Ich habe mit dem Bulldozer-Typen geredet, dem Freund von Dennis. Er pflügt uns die Straße zu einem bestimmten Preis frei. Wenn der Schnee höher als zehn Zentimeter ist. Das schafft dein Laster.«
    »Achtundzwanzig Meilen Pflügen! Was soll der Preis denn sein?«
    »Einhundert pro Fahrt. Reicht kaum für den Sprit. Bei der Häufigkeit der Stürme hier, schätzt er, daß er mindestens zweimal die Woche rauskommen muß. In fünf Monaten macht das vierzigmal. Das sind viertausend Dollar. Eine andere Möglichkeit ist Dennis. Er hat gesagt, er könnte uns mit seinem Boot hin und her fahren, bis die Bucht zu stark vereist. Wenn wir ihm den Sprit und die Zeit zahlen, zu, sagen wir, zehn Dollar die Stunde.«
    »Na, der Handel hört sich schon besser an«, sagte die Tante.
    »Das meine ich nicht. Stell dir mal vor, er muß zwei Stunden pro Tag dafür aufwenden – die Überfahrt ist zwanzig Minuten bei ruhiger See. Das macht das gleiche wie der Bulldozer, hundert die Woche. Und bis Januar ist die Bucht vereist. Ich will nicht riskieren, daß die Mädchen auf einem Motorschlitten über die Bucht hin und her fahren. Dennis sagt, es gibt brüchige Stellen. Es ist gefährlich. Jeden Winter bricht jemand ein und ertrinkt. Du mußt die Route kennen. Und im übrigen gefällt mir die lange Fahrt für sie jeden Tag auch nicht.«
    »Du hast dir die Sache gründlich überlegt«, sagte die Tante. Trocken. Sie war es gewohnt, diejenige zu sein, die plante.
    Er sagte nicht, daß er am Tag vor seinem Kentern durch die kahlen Zimmer des Hauses spaziert war und sich gedacht hatte, daß ihre Möbel in diesem Jahr nicht mehr kommen würden.
    »Dann«, sagte er und schnitt Sunshines Pfannkuchen mit dem Rand seiner Gabel, um ihr quietschendes Messer nicht mehr hören zu müssen, »könnten wir auch für den Winter über die Bucht ziehen. Das Haus hier als Sommerlager betrachten. Nutbeem geht in ein, zwei Wochen. Sein Wohnwagen. Für uns alle vier ist kein Platz, aber die Mädchen und ich kämen wohl zurecht. Wenn du ein Zimmer finden würdest. Oder irgendwas. Weiß Mrs. Bangs nicht vielleicht was?«
    Aber die Tante war erstaunt. Sie war spazierengegangen und hatte den

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