Schiffsmeldungen
Holz.«
30
Die Sonne hinter Wolken
Quoyle und seine Töchter gingen von Beety und Dennis aus zu Fuß zum Sea Gull, wo die Tante logierte, feucht und unordentlich. Sunshine, die Quoyles Hand umklammerte, rutschte immer wieder aus. Bis er merkte, daß es ein Spiel war, »Schluß damit« sagte.
Die Straße glänzte unter einem Mond wie ein Motorrad-scheinwerfer. Frostiger Novembernebel, der die Welt mit Glatteis überzog, der rauhen Kälte der Nordküste. Unmöglich, zu fahren, obwohl er vorher gefahren war, es bis Little Despond und zurück geschafft hatte, der Ölpest gefolgt war. Die Recherchen abgeschlossen hatte. Der alte Mr. Eye mit Lungenentzündung im Krankenhaus. Ein Ölrand um die kleine Bucht.
Durch den Eingang, den Geruch nach chemischem Mischmasch in den Speisesaal, wo die Tante wartete. An leeren Tischen vorbei. Bunny ging gemessen; Sunshine stürmte auf die Tante los, stolperte, machte eine Bauchlandung und heulte. Also fing das Abendessen mit Tränen an. Von der Fensterscheibe wallte kalte Luft herüber.
»Armes Ding«, sagte die Tante und untersuchte Sunshines rote Knie. Die Bedienung kam über den abgewetzten Teppich daher, einer ihrer Schuhe quietschte beim Gehen.
Quoyle trank ein Glas Tomatensaft, der nach Büchse schmeckte. Die Tante kippte Whiskey; gläserweise Ginger Ale.
Dann Truthahnsuppe. In Quoyles Suppe schwamm eine sehnige Halsader.
»Ich muß sagen, nach dem ersten Tag Ruhe und Frieden habt ihr mir alle gefehlt. Sehr.« Das Gesicht der Tante rötlicher als gewöhnlich, die blauen Augen voll Tränen.
Quoyle lachte. »Du fehlst uns.« In Beetys und Dennis’ Keller schlafen. Vermißte die unkomplizierte Gesellschaft der Tante, ihre Art, die Probleme bei den Hörnern zu packen.
»Dad, weißt du noch, die roten Täßchen mit Bildern drauf bei Waveys Tante?«
»Ja, Bunny. Es waren reizende Täßchen.«
»Ich schreibe dem Weihnachtsmann einen Brief, daß er uns genau solche bringen soll. In der Schule schreiben wir an den Weihnachtsmann. Und ich hab’ ein Bild von den Tassen gemalt, damit er die richtigen nimmt. Und blaue Perlen. Und Marty hat das gleiche geschrieben. Dad, Marty schreibt ihr S umgekehrt.«
»Ich will ein Boot mit einem Stock und einer Schnur«, sagte Sunshine. »Du setzt das Boot ins Wasser und stößt es mit dem Stock an. Und es schwimmt weg! Dann ziehst du an der Schnur, und es kommt zurück!« Sie lachte übermäßig.
»Hört sich an, als wär’ das das Boot, das ich brauche.« Quoyle aß seine kalten Brötchen.
»Und wenn ich die roten Täßchen bekomme«, sagte Bunny, »mach’ ich dir eine Tasse Tee, Tante.«
»Also, mein Liebes, den trinke ich bestimmt gern.«
»Na, wer bekommt die Muscheln«, fragte die Bedienung und hielt einen Teller hin, auf dem sich fahle Klumpen, ein Berg Reis und eine Scheibe ausgebleichtes Brot türmten.
»Oje, die hab’ ich bestellt«, sagte die Tante, runzelte die Stirn angesichts des faden Essens, flüsterte Quoyle zu: »Hätten auf einen Kalmarburger zu Skipper Will gehen sollen.«
»Wenn wir bei Beety sind, dann macht sie manchmal Fisch-köpfe und -schwänze«, sagte Bunny. »Das mag ich.«
»Und ich kann’s nicht ausstehen«, sagte Sunshine und machte in ihrem Ginger-Ale-Glas ein Sauggeräusch.
»Stimmt nicht. Du hast alles aufgegessen.«
Die Dorschbacken und Pommes frites kamen.
»Ehem«, sagte die Tante. »Das ist eine Art Ankündigung. Ich habe etwas anzukündigen. Gute und schlechte Neuigkeiten. Die gute Neuigkeit ist, daß ich einen großen Auftrag habe, der mich fast den ganzen Winter beanspruchen wird. Die schlechte ist, er ist in St. John’s unten. Wie’s dazu kam – ich hab’ lang über meine Geschäfte in der Jachtpolsterei nachgedacht. Sehen wir den Tatsachen ins Gesicht: Die Jachteigner sind hier nicht so zahlreich wie auf Long Island. Neufundland steht bei den Jachtbesitzern als Anlegehafen nicht gerade an erster Stelle. Ich habe mir also Sorgen gemacht. Weil ich die letzten sechs Wochen nicht viel Arbeit hatte. Wenn das geheimnisvolle Geld aus Macao nicht gewesen wäre, das für mich gar nicht geheimnisvoll ist, aber stellt euch bloß diese sonderbare Frau vor, die ihren Mann zerlegt, aber ihre Rechnungen bezahlt – jedenfalls hätte ich in der Klemme gesteckt. Also hab’ ich nachgedacht. Es gibt jede Menge Handelsschiffahrt in Neufundland. Halte ich die falsche Fahne hoch? Vielleicht. Hab’s mit ein paar neuen Namen versucht. Hamms Jachtpolsterei bringt sie sicher nicht in Scharen an. Wie
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