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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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und klaubte abgestorbene, mit Moos behangene Fichtenzweige zusammen, Knall-zweige sagte sie dazu, und das Moos war Altmännerschnurrbart. Erinnerte sich an die Namen der Dinge. Schichtete die Zweige im Windschatten des Gebäudes auf.
    Quoyle holte die Wasserkanne aus dem Auto. Eine Viertelstunde später tranken sie aus den Limonadedosen brühheißen Tee, der nach Rauch und Orangenlimonade schmeckte. Die Tante zog den Ärmel ihres Pullovers herunter, um ihre Hand vor dem heißen Metall zu schützen. Nebel wallte ihnen ins Gesicht. Die Hosenschläge der Tante knallten im Wind. Ockerfarbener Glanz durchflutete den zerfledderten Nebel, gab die Bucht frei, füllte sie aus.
    »Ah!« rief die Tante und zeigte in den sich auflösenden Nebel. » Ich habe das Haus gesehen. Die alten Fenster. Zwillingskamine. Wie es immer war. Da drüben! Ich sag’ dir, ich hab’s gesehen!«
    Quoyle starrte hinüber. Sah sich auflösenden Nebel.
    »Gleich da drüben. Die kleine Einbuchtung und dann das Haus.« Die Tante marschierte davon.
    Bunny stieg aus dem Auto, noch im Schlafsack, schlurfte über den Asphalt. »Ist es das?« fragte sie, auf die Betonmauer starrend. »Ist ja scheußlich. Es hat keine Fenster. Wo soll mein Zimmer sein? Krieg’ ich auch eine Limonade? Dad, aus der Dose kommt Rauch und aus deinem Mund auch. Wie machst du das, Daddy?«
     
    Eine halbe Stunde später kämpften sie sich gemeinsam zu dem Haus vor, die Tante mit Sunshine auf den Schultern, Quoyle mit Bunny, der Hund humpelte hinterher. Der Wind fuhr unter den Nebel, trieb ihn nach oben. Kurze Blicke auf die zerzauste Bucht. Die Tante deutete; ihr Arm wie der einer Schießbudenfigur, die eine Zigarre in der metallenen Hand hält. In der Bucht sahen sie einen Muschelkutter auf halbem Weg zur Meerenge, hinter ihm Kielwasser wie ein Unterrock-saum.
    Bunny saß auf Quoyles Schultern, die Hände unter seinem Kinn verschlungen, während er durch das Gestrüpp stapfte. Das Haus war grasfleckengrün, von Nebel bedeckt. Sie ertrug die Hände ihres Vaters auf den Knien, den Geruch seines langweiligen Haars, sein Gebrabbel, daß sie eine Tonne wiege, daß sie ihn ersticke. Das Haus schaukelte bei seinen Schritten durch ein peitschendes Meer von Zwergbirken. Bei diesem Grün wurde ihr übel.
    »Sei jetzt brav«, sagte er und lockerte ihre Finger. Sechs Jahre trennten ihn von ihr, und jeder Tag bedeutete breiter werdendes Wasser zwischen ihrem seewärts gerichteten Boot und der Küste, die ihr Vater war. »Wir sind fast da, fast«, keuchte Quoyle zum Steinerweichen.
    Er setzte sie auf dem Boden ab. Sie rannte mit Sunshine den Felshang hinauf und hinunter. Das Haus warf ihre Stimmen zurück, hohl und ungewohnt.
    Das verlassene Gebäude stand auf Fels. Das auffälligste Merkmal war ein Fenster, das zu beiden Seiten je ein kleineres hatte, wie ein Erwachsener, der dasteht und schützend die Arme um die Schultern von Kindern legt. Oberlichte über der Tür. Quoyle fiel auf, daß die Hälfte der Scheiben fehlte. Vom Holz blätterte Farbe ab. Löcher im Dach. Die Bucht rollte und rollte.
    »Ein Wunder, daß es noch steht. Die Dachtraufe ist schnurgerade«, sagte die Tante. Zitterte.
    »Schauen wir mal, wie es innen aussieht«, meinte Quoyle. »Womöglich sind die Böden in den Keller durchgebrochen.«
    Die Tante lachte. »Das ist unwahrscheinlich«, rief sie fröhlich. »Es gibt keinen Keller.« Das Haus sei mit Seilen an in den Felsen eingelassenen Eisenringen vertäut. Im Felsen Rostrillen, geschlagene Tritte wie Stufen, Mulden, so tief, daß man ein Kind darin hätte verstecken können. Die Trossen starrten vor gerissenen Drähten.
    »Die Felsspitze ist nicht ganz eben«, sagte die Tante, und ihre Sätze flatterten davon wie Bänder an einem Pfahl. »Es war vor meiner Zeit, aber es hieß, bei Sturm wackelte es wie ein großer Schaukelstuhl hin und her. Den Frauen wurde übel davon, sie hatten Angst, also zurrten sie es fest, und es bewegt sich keinen Deut, aber der Wind, der durch die Trossen sirrt, macht ein Geräusch, das man nicht vergißt. Ach, ich weiß noch, wie es in den Winterstürmen war. Wie ein Stöhnen.« Denn das Haus sei von Wind umschlungen. »Das war ein Grund, warum ich froh war, als wir nach Capsize Cove rüber-zogen. In Capsize gab’s einen Laden, und das war ’ne große Sache. Aber dann sind wir die Küste runter nach Catspaw gezogen, und ein Jahr später waren wir unterwegs in die Staaten. « Sagte sich, daß sie sich beruhigen sollte.
    Verrostete

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