Schiffsmeldungen
meine Locken an, Daddy, schau dir meine Locken an. Dad! Ich habe Locken.« Schrill und den Tränen nahe. Quoyle kratzte an geschmolzenem Käse auf ihrem Hemd.
In der Küche ließ die Tante zur Vorführung Wasser in einen Spülstein laufen, drehte den Gasherd auf.
»Ich habe uns einen schönen Dorscheintopf gekocht«, sagte sie. »Dennis hat einen Laib von Beetys selbstgemachtem Brot mitgebracht. Ich habe Schüsseln und Löffel besorgt, bevor ich rausgefahren bin, Butter und ein paar Grundnahrungsmittel. Verderbliches ist in der Kühlbox. Du mußt Eis mitbringen. Ich weiß nicht, wann wir einen Benzinkühlschrank bekommen. Neffe, du wirst in deinem Zimmer eine Zeitlang mit der Luftmatratze und dem Schlafsack auskommen müssen. Aber die Mädchen haben Bettgestelle und Sprungfedern.«
Quoyle und Bunny stellten aus Brettern und Holzböcken einen Tisch zusammen.
»Das ist ja schwer«, sagte Bunny, setzte sich rittlings auf das eine Ende eines Bretts, keuchte vor gespielter Erschöpfung.
»Ja«, meinte Quoyle, »aber du bist ganz stark.« Sein stämmiges, farbloses Kind mit seiner verstörenden Art, aber eine große Helferin, wenn es um Planken, Steine und Schachteln ging. Kein Interesse für Küchendinge, es sei denn auf einem Teller.
Dennis kam vom Dach herunter, grinste Quoyle an. Er hatte nichts von Jack Buggit an sich, außer den Augen, die zum Horizont schossen und Himmelsstücke abmaßen.
»Tolles Brot«, sagte Quoyle und schob sich eine Scheibe in den Mund.
»Tja, Beety backt jeden Tag Brot, jeden Tag außer Sonntag. Tja.«
»Und guter Fisch«, sagte die Tante. »Alles, was wir noch brauchen, sind grüne Bohnen und Salat.«
»Tja«, sagte Dennis. »Bald ziehen die Dickmaulschwärme vorbei. Legt euch ’nen Garten an. Dickmaul ist ’n guter Dünger. «
Am Nachmittag machten Quoyle und Bunny sich mit nassen Schwämmen an die höckerige Fugenmasse, bis die Nähte glatt waren. Bunny aufmerksam, das hilfsbereite Kind. Guckte aber in jeden Winkel. Auf dem Dach hämmerte Dennis. Die Tante schmirgelte die Fensterbretter ab, trug eine erste Lasur auf.
Im letzten Dämmerschein ging Quoyle mit Dennis zum neuen Steg hinunter. Unterwegs kamen sie am Vergnügungsgarten der Tante vorbei, einem dumm mit Moos bekrönten Felsbrocken – wie Haare über einem Gesicht. Im Moos verstreut ein Stein mit einem Bullauge, eine Muschel, Korallenstückchen, ein weißer Stein, der dem Umriß eines Tierkopfs glich.
Das Holz des neuen Stegs war harzig und duftete. Darunter schwappte Wasser. Schäumte auf.
»Jetzt kannst du dein Boot anbinden, was?« sagte Dennis, »Besorg dir ein paar alte Reifen, damit es nicht scheuert.«
Dennis löste die Halteleinen, sprang in sein Boot und tuckerte auf dem sich kräuselnden Kielwasser in die Dämmerung. Die Leuchttürme auf den Landzungen fingen zu blinken an. Quoyle ging den Felsen zu seinem Haus hinauf, auf Fenster zu, die von gelbem Lampenlicht überflutet waren. Drehte sich um, blickte wieder auf die Bucht, sah Dennis’ Kielwasser wie ein weißes Haar.
In der Küche mischte die Tante Karten, teilte sie aus.
»Als ich klein war, haben wir Abend für Abend gespielt«, sagte sie. »Alte Spiele. Die heute keiner mehr kennt. Französisches Boston, Euchre, Jambone, Skat, Alle Vier. Ich kenne jedes noch.«
Klatsch, klatsch, die Karten.
»Wir spielen Alle Vier. Also, jeder Bube, der vom Geber auf-gedeckt wird, gibt für ihn einen Punkt. Los geht’s, Karo ist Trumpf.«
Aber die Kinder begriffen es nicht und warfen ihre Karten hin. Quoyle wollte sein Buch. Das Blut der Tante wallte auf.
»Das ewige Gejammer!« Was hatte sie erwartet? Einen kostbaren Abend aus ihrer weiten Vergangenheit zu rekonstruieren? Lachte über sich selbst.
Also erzählte Quoyle seinen Töchtern in ihrem trübe beleuchteten Zimmer Geschichten – von Forscherkatzen, die neue Länder sichteten, von Vögeln, die Karten spielten und sie im Wind verloren, von Piratenmädchen und vergrabenen Schätzen.
Wieder unten, betrachtete er die Tante am Tisch, endlich zu Hause. Ihr Glas Whiskey war leer.
»Es ist still«, sagte Quoyle und horchte.
»Wir haben das Meer.« Wie eine Tür, die auf und zu ging. Und das leise Lied der Trossen.
Quoyle wachte in dem leeren Zimmer auf. Graues Licht. Ein hämmerndes Geräusch. Sein Herz. Er lag in seinem Schlafsack mitten auf dem Boden. Die Kerze war umgefallen. Konnte das Wachs riechen, die Seiten des offen neben ihm liegenden Buches riechen, den Staub in den Bodenritzen. Wieder
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