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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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zunehmenden Dunkelheit, machte immer wieder ein paar Schritte rückwärts, wenn die Flut vordrang, bis Warren ungehindert schwamm, die Küste entlang Richtung Westen trieb, immer weiter drängte, auf einer unsichtbaren Strömung ritt. Das Meer sah aus, als würde es klingen, wenn man daraufschlüge. Warren glitt davon. Segelte außer Sichtweite in die untergehende Sonne hinein.
    Wie in den alten Western.
    Und weiter unten in der Bucht hörte Quoyle Nutbeems unendliche Geschichte, senkte sich Tert Cards Dämmerung auf sein Glas Demerara-Rum.

11
    Eine Brosche aus Menschenhaar
    Im 19. Jahrhundert fertigten Juweliere aus dem Haar Toter Andenkenschmuck, indem sie einzelne, lange Haare zu verschlungenen Rosen, Initialen, Singvögeln oder Schmetterlingen verknoteten.

    Die Tante machte sich am Freitag morgen auf zum Haus. Sie fuhr in ihrem neuen Transporter, einem marineblauen Pickup mit silbernem Dach, Platz für einen Extrapassagier, einem CD-Spieler und verchromtem Armaturenbrett.
    »Wir brauchen ihn. Wir brauchen hier einen Laster. Ich muß zwischen dem Haus und meiner Werkstatt hin und her fahren. Du hast ein Boot, ich hab’ einen Laster. Sie haben die Straße hergerichtet und den Anlegesteg gebaut. Die oberen Zimmer sind fertig. Es gibt ein Außenklo. Vorläufig. Die Küche hat Wasseranschluß. Durch so eine neue, schwarze Plastikwasserleitung. Später können wir ein Bad einbauen. Diese Woche arbeitet er am Dach. Wenn das Wetter hält. Aber es ist ja recht gut. Wir könnten eigentlich rausziehen. Raus aus diesem gräßlichen Motel. Ich besorge Lebensmittel und Kerosinlampen. Morgen früh kommst du mit den Mädchen raus – und mit deinem Boot.«
    Gestik und Mienenspiel rasch wechselnd, Hände, die sich plötzlich ballten wie um die Zügel eines feurigen Pferdes. Versessen darauf, hinzukommen.
    Die Tante war allein im Haus. Ihre Schritte klapperten durch die Zimmer, das Scheppern von Schüssel und Löffel auf dem Tisch. Ihr Haus jetzt. Im Teekessel kochte prächtig Wasser. Nach oben. Dennoch war es, wenn sie die Treppe hinaufstieg, dieses Zimmer betrat, so, als dränge sie in eine rauhe Landschaft vor, gespickt mit Gruben und Karstlöchern, Abgründen, die unsichtbar blieben, bis sie kopfüber hineinplumpste.
    Die Kiste mit der Asche ihres Bruders stand in der Ecke auf dem Boden.
    »Na schön«, sagte sie und packte sie. Trug sie hinunter, durch das Haus und hinaus. Ein heller Tag. Das Meer war glasiert, mit Möwen verziert. Ihr Schatten floß von ihr weg. Sie ging in das neue Außenklo und kippte die Asche ins Loch. Raffte ihre Röcke und hockte sich hin. Der Urin plätscherte. Daß sie, daß sein eigener Sohn und seine Enkelinnen täglich ihre Körperausscheidungen auf seine Überreste entleerten, würde nur sie allein wissen.
     
    Am Samstag morgen kamen Quoyle und seine Töchter daher, die Koffer auf den Rücksitz geworfen, das Schnellboot schwankte auf dem gemieteten Anhänger hinterher. Er steuerte über die geebnete Straße. Von dort an, wo die Straße im Parkplatz der Handschuhfabrik endete, hatte der Bulldozer eine Spur durch das Gestrüpp zum Haus freigescharrt. Unter den Reifen knirschte frischer Kies. Wolken, spitz und gezackt, und der Ozean saftfarben. Die Sonne stach durch die Wolken wie eine Forelle an der Angel.
    »Ein Leiterhaus«, sagte Sunshine, als sie das Gerüst sah.
    »Dad, ich hab’ gedacht, es wird ein neues Haus«, sagte Bunny. »Daß Dennis es neu macht. Aber es ist noch dasselbe. Es ist häßlich, Dad. Ich hasse grüne Häuser.« Sie starrte ihn an. Hatte er sie hereingelegt?
    »Dennis hat es innen hergerichtet. Wir können das Haus später in einer anderen Farbe streichen. Erst müssen wir die Schwachpunkte und die Löcher ausbessern.«
    »Rot, Dad. Streichen wir es rot.«
    »Also, darüber hat die Tante zu bestimmen. Das Haus gehört größtenteils ihr, wißt ihr. Rot gefällt ihr vielleicht nicht so toll.«
    »Streichen wir sie auch rot«, sagte Bunny. Lachte wie eine Hyäne.
    Quoyle fuhr neben den Transporter der Tante. Mit dem Boot und dem Anhänger würde er sich am Sonntag herumschlagen. Dennis Buggit auf dem Dach. Warf Schindeln in den Wind. Die Tante machte die Tür auf und rief: »Tatatata!«
    Glatte Wände und Decken, die Fugenmasse noch mit den Spuren der Maurerkelle, die frischen Fenstersimse, Preiszettel auf dem verschmierten Fensterglas. Holzgeruch. Matratzen, an die Wand gelehnt. Das Zimmer der Mädchen. Bunny türmte sich Hobelspäne auf den Kopf.
    »He, Dad, schau dir

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