Schiffsmeldungen
Bay ergriffen hat. Da runter würd’ ich nich’ gehen – wie ich von der Bundespolizei höre, ging eine Mutter von drei Kindern mit einem metallenen Handtuchhalter zu ihrer Großmutter, verprügelte sie unmenschlich, und steckte dann das Haus in Brand. Sie holten sie raus, aber die arme alte Dame blutete wie eine abgezogene Robbe und hatte schwere Verbrennungen von Kopf bis Fuß. Und in der Küche findet die freiwillige Feuerwehr einen versteckten Schatz. In einem Eimer unter der Spüle sind religiöse Schmuckgegenstände im Wert von dreihundert Dollar, die im Verlauf des vergangenen Jahres bei Woolworth geklaut wurden. Jede behauptet, die andere war’s.«
»Ich hatte diese Woche keine Autounfälle.« Quoyle, der immer noch an den einen in seinem Kopf dachte. Eine Brise kräuselte die Bucht, erstarb.
»Natürlich«, sagte Nutbeem, »es regnet zwar nie, aber der Keller ist überschwemmt. Ich habe diese ungeheuer obszönen sexuellen Übergriffe, aber ich habe auch meine beste Auslandsmeldung – der Prozeß gegen die Lesbenvampirin ist vorbei. Hab’s gerade heute morgen auf Kurzwelle gehört.«
»Gut«, sagte Quoyle. »Vielleicht verzichtet Jack dafür auf den Autounfall. Sind Fotos da?«
»Bei den älteren Radios sind die nur schwer zu kriegen«, erwiderte Nutbeem. »Außerdem halte ich es für unwahrscheinlich, daß er den Platz für die Autounfälle für eine Geschichte aus Australien aufgibt. Das ist eine Grundregel: ein Autounfall mit Bildern auf Seite eins. Du wirst einen alten aus Tert Cards Ordner nehmen müssen, es sei denn, jemand verunfallt zwischen jetzt und fünf Uhr. Die Schiffsmeldungen und einen Bootsartikel hast du ja ohnehin. Stimmt’s?« Nutbeem, der landete und fortflog.
»Stimmt.« Quoyle leckte Ketchup vom Schachteldeckel, verdrehte seine Serviette zu einem Knoten. »Das Boot, das am Dienstag morgen in Perdition Cove in die Luft flog.«
Billy streckte sich und gähnte, der verrunzelte Hals ein paar Sekunden lang wieder straff. »Ich spür’, wie die Jahreszeit wechselt«, sagte er. »Es zieht an. Dieser Wetterumschwung bedeutet das Ende des heißen Wetters. Zeit, daß ich zur Guckinsel rausfahre und das Grab von meinem armen alten Vater herrichte. Hab’s letztes Jahr aufgeschoben und das Jahr davor auch.« Eine gewisse Trauer lastete auf den Worten. Billy wirkte wie in einem Briefumschlag verwahrt; manchmal ging die Klappe auf, sein plattgedrücktes Selbst rutschte auf den Tisch.
»Was für heißes Wetter?« fragte Quoyle. »Das ist der erste Tag, an dem wir nach meiner Einschätzung über fünf Grad haben. Der Regen steht immer kurz davor, zu Schnee zu werden. Und wo liegt die Guckinsel?«
»Du weißt nich’, wo die Guckinsel liegt?« Billy lachte ein wenig. Sein stechender, blauäugiger Blick. »Fünfzehn Meilen nordöstlich der Meerenge. Dort is’ mal ’n Trupp Wale gestrandet, drum sagen manche Walinsel dazu, aber für mich ist es die Guckinsel. Auch wenn sie anfangs noch andere Namen hatte. Ein herrlicher Ort. Von lokalgeschichtlichem Interesse, Quoyle.« Neckend.
»Würde ich gern mal sehen«, sagte Quoyle, der seine Dose mit Krautsalat entdeckt hatte. »Auf einer Insel war ich noch nie.«
»Sei doch nich’ blöd, Junge. Du bist jetzt auf einer, schau dir die Karte an. Du kannst mit mir rausfahren. Über die Guckinsel solltest du Bescheid wissen, das solltest du. Wär’ genau das Richtige. Sonnabend morgen. Wenn das Wetter anständig ist. Am Sonnabend fahr’ ich raus.«
»Wenn ich kann«, sagte Quoyle. »Wenn die Tante mit mir nicht schon Größeres vorhat.« Starrte weiter auf die Bucht hinaus. Als wartete er auf ein ganz bestimmtes Schiff. »Da ist gestern draußen in der Bucht ein Zeitungspapierfrachter vor Anker gegangen. Darüber wollte ich schreiben.« Das Sonnenlicht verblaßte, die Wolken kamen heran.
»Hab’ ihn da draußen gesehen. Gehört, daß er Schwierigkeiten hatte.«
»Feuer im Maschinenraum. Ursache unbekannt. Diddy Shovel sagt, daß der Frachter vor fünf Jahren hier nicht angelegt hätte, es sei denn wegen Meuterei oder Hungersnot. Aber jetzt gibt’s ein Reparaturdock, die Zulieferer, den Lastwagen-terminal. Also kommen sie herein. Pläne, die Werft zu erweitern. Er sagt, es sei von einer großen Schiffswerft die Rede.«
»Ach, es war nich’ immer so«, sagte Billy Pretty. »Früher bestand Killick-Claw aus ein paar klapprigen Fischstellingen und zwanzig Häusern. Der große Hafen war bis nach dem Zweiten Weltkrieg in der verfluchten Stadt,
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