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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Stil.
    »Hummersalat ist auch schön, aber zum Abendessen vielleicht ein bißchen zu leicht. Weißt du, es gibt eine Zubereitung, wie Warren und ich ihn immer im Fair Weather Inn auf Long Island aßen. Das Schwanzfleisch in Sake eingelegt, dann mit Bambussprossen und Wassernüssen gekocht, in die Schalen geschichtet und überbacken. Dazu gab es eine scharfe Soße, die nicht von dieser Welt war. Das krieg’ ich hier alles nicht. Natürlich – wenn wir Krabben und Krebsfleisch und Muscheln hätten, könnte ich gefüllte Hummerschwänze machen – das gleiche Prinzip, aber mit Weißwein und Parmesan. Wenn ich Weißwein und Parmesan kriegen könnte.«
    »Ich hab’ Käse gekauft. Keinen Parmesan. Einfach Käse. Cheddar.«
    »Na, damit ist ja alles klar. Hummerpastete. Wir haben zwar keine Sahne, ich kann aber Milch nehmen. Bunny wird sie ohne Gebrüll essen, und es ist eine Abwechslung zu dem Gekochten. Ich möchte etwas Besonderes machen. Ich hab’ Dawn zum Essen eingeladen. Ich hab’ ihr gesagt, um sechs, also ist noch genügend Zeit.«
    »Wen?«
    »Du hast schon richtig gehört. Ich hab’ Dawn eingeladen. Dawn Budgel. Ein nettes Mädchen. Wird dir guttun, mit ihr zu reden.« Denn der Neffe tat nichts außer arbeiten und mit den Kindern herumalbern.
    Aus dem Wohnzimmer kam ein ohrenbetäubendes Gepolter.
    »Bunny«, rief Quoyle. »Was baust du? Noch eine Kiste?«
    »Ich baue ein Zelt.« Wut in der Stimme.
    »Ein Holzzelt?«
    »Ja. Aber die Tür ist schief.« Ein Krachen.
    »Hast du was umgeworfen?«
    »Die Tür ist schief! Und du hast gesagt, daß du mit mir Boot fährst. Und hast es nicht getan!«
    Quoyle stand auf.
    »Das hab’ ich vergessen. Na schön, zieht euch beide eure Jacken an, und los geht’s.«
    Doch während Quoyle wartete, erfand Bunny gleich draußen vor der Tür ein neues Spiel.
    »Leg dich auf den Rücken, schau, so.«
    Sunshine ließ sich auf den Rücken fallen, streckte Arme und Beine aus.
    »Jetzt schau zur Spitze des Hauses rauf. Einfach schauen. Es ist gruselig, das gruselige Haus stürzt ein.«
    Und ihre Blicke wanderten zu den windschiefen Schindeln hinauf, zu den schwarzen Dachkanten. Über den First des Hauses rasten diagonal der dünne Himmel und Wolken. Es entstand die Illusion, daß die Wolken statisch waren und das Haus unaufhaltsam nach vorn kippte. Die drohende Wand neigte sich über Sunshine, die sich hochrappelte und herrlich erschrocken davonrannte. Bunny hielt es länger aus, bis auch sie aufstehen und sich auf festen Boden flüchten mußte.
    Quoyle hieß sie, sich nebeneinander ins Boot zu setzen. Sie umklammerten die Dollborde. Das Boot brummte über das Wasser. »Fahr schnell, Dad«, juchzte Sunshine. Aber Bunny starrte die schäumende Bugwelle an. Dort in der Gischt war ein weißes Hundegesicht, glitzernde Augen und ein Mund aus Blasen. Die Welle schäumte hoch und mit ihr der Hund; Bunny klammerte sich am Sitz fest und heulte. Quoyle schaltete in den Leerlauf.
    Das Boot schaukelte im Wasser, keine Fahrt, Wellenklatschen.
    »Ich hab’ im Wasser einen Hund gesehen«, schluchzte Bunny.
    »Im Wasser ist kein Hund«, sagte Quoyle. »Bloß Luftblasen und Schaum und die Phantasie von einem kleinen Mädchen. Bunny, du weißt , daß im Wasser kein Hund leben kann.«
    »Dennis sagt, daß es Wasserhunde gibt«, schluchzte Bunny.
    »Er meint andere Hunde. Einen echten, lebendigen Hund wie Warren« – nein, Warren war tot -, »einen lebendigen Hund, der schwimmen kann, der im Wasser schwimmt und den Jägern tote Enten bringt.« Verflixt, war denn alles tot?
    »Also, es hat ausgesehen wie ein Hund. Der weiße Hund, Dad. Er hat was gegen mich. Er will mich beißen. Und mein Blut vergießen.« Jetzt kamen die Tränen.
    »Es ist kein wirklicher Hund, Bunny. Es ist nur ein Phantasiehund, und selbst wenn er echt aussieht, kann er dir nicht weh tun. Wenn du ihn noch mal siehst, mußt du dich fragen: ›Ist das ein echter Hund oder ein Phantasiehund?‹ Dann merkst du, daß er nicht echt ist und mußt darüber lachen.«
    »Aber Dad, wenn er aber doch echt ist?« »Im Wasser, Bunny? In einem Stein? In einem Stück Sperrholz? Mach mal ’nen Punkt.« So versuchte Quoyle den weißen Hund mit Logik zu besiegen. Und nahm wieder Kurs auf den Steg, ganz langsam, damit es keine Bugwelle gab. Bekam den weißen Hund allmählich satt.
     
    Am Nachmittag deckte Quoyle den Tisch, während die Tante den Teig für die Pastetenkruste zurechtdrückte.
    »Leg das rote Tischtuch auf, Neffe. Es ist in der

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