Schiffstagebuch
riesigen Zimmer steht. Am nächsten Morgen zeigt sich, daß ich doch nicht der einzige Gast bin, ein alter Herr mit Stock, der als Major angesprochen wird, sitzt wie ich vor Eiern mit Speck, gebackenen Bohnen und Tomaten samt rostfarbener HP-Soße, draußen rinnt ein dünner Wasserstrahl über die Ränder des Springbrunnens, die beiden Zypressen wachen, das Feuerwehrauto wartet noch immer auf ein Feuer, what a wonderful world .
IX. Oudtshoorn. Es gibt die Große Karoo und die Kleine Karoo, eine zwischen zwei Gebirgszügen gelegene Tallandschaft. Über den dramatischen Swartbergpas und Schoemanspoort bin ich nach Oudtshoorn gefahren, Landschaften von kurz nach der Erschaffung der Welt. Oudtshoorn selbst ist vornehm, mit breiten Alleen und prachtvollen Villen, eine Stadt, einst reich geworden durch den Strauß. Der langbeinige Laufvogel hat vor ungefähr eineinhalb Jahrhunderten eine merkwürdige Adelsgattung hervorgebracht, die Straußenbarone. Warum es immer Barone sein müssen und nicht Herzöge oder Marquis, weiß ich nicht, jedenfalls gab es in Oudtshoorn viele von ihnen. Ihre Häuser existieren noch, und Strauße werden ebenfalls noch gezüchtet, jetzt weniger um ihrer Federn willen als wegen des Leders und des Fleischs. Es sind merkwürdige Vögel, wer sie hinter dem Zaun einer solchen Farm etwas länger beobachtet, den beschleicht allmählich ein mulmiges Gefühl, vor allem wenn es viele sind. Der Hals ist idiotisch lang für den eigensinnigen kleinen Kopf ganz am Ende. Sie sehen aus wie Politikernach einer unerwarteten Niederlage, voll unterdrückter Wut und verborgener Rachsucht, die jeden Augenblick losbrechen können.
Da man in letzter Zeit so oft Straußensteaks auf den Speisekarten sieht, drängt sich die Frage auf, wo ihre großen Keulen sitzen, und das kann natürlich nur an einer Stelle sein, hoch unter diesem bauschigen Kleid aus Federn, die die Köpfe der Damen aus der viktorianischen Bourgeoisie einst so grotesk groß machten, daß sie mitsamt ihren Hüten kaum auf ein Foto paßten. Die nächste Frage lautet, wie man die Tiere wohl schlachtet, diese ellenlangen Beine können gehörige Tritte austeilen, und Enthaupten scheint mir angesichts der meterlangen Hälse auch keine gute Alternative. Eine merkwürdige Seitenlinie der Evolution, gute Gesellschaft für die Giraffen und Nashörner, die man hier in den Reservaten sieht, Ausgeburten der Phantasie, Launen der Natur, Tiere, die in eine Reihe mit dem Basilisken, der Sphinx und dem Greif gehören, dazu gedacht, in den Menschen die Frage aufkeimen zu lassen, wofür diese Vögel eigentlich gut sein sollen. Für Hüte, hätte man vor anderthalb Jahrhunderten gesagt, und wenn man wissen will, warum, muß man ins C. P. Nel Museum in Oudtshoorn gehen, wo es eine Orgie an Straußischem zu besichtigen gibt, angefangen mit einer Fotoserie, auf der dieser Vogel als Held dargestellt ist.
Vater, Mutter, Kinder sowie ein Löwe, der weiß, wo bei diesen zarten Kleinen die Steaks sitzen, Vater Strauß, der seine Familie so lange verteidigt, bis Mutter ihre Flauschbälle in Sicherheit gebracht hat und er selbst als kaputtgebissener Staubsaugerschlauch auf dem eigenen Wollball endet. Es sind alte, vergilbte Fotos, aber sie haben nichtsan Dramatik verloren. Wie viele Stunden ich in diesem Museum verbracht habe, weiß ich nicht mehr, jedenfalls ist der Vogel Strauß seitdem für mich ein anderes Wesen, allein schon weil ich jetzt weiß, daß die Sache mit dem Kopf im Sand nicht stimmt.
Wie man bereits 1549 in den Besitz seiner Federn gelangte, ist nicht angegeben, auf alle Fälle konnte sich die Schwester Karls V. damit schmücken, und »als der Schwarze Prinz, der in der Schlacht von Crécy 1346 den König von Böhmen geschlagen hat, hat er den Federbusch des gefallenen Königs vom Helm gerissen und auf seinen eigenen gesetzt«.
Was Strauße mit Synagogen zu tun haben, wird hier ebenfalls deutlich, denn Oudtshoorn besaß eine große jüdische Gemeinde, die aus Litauen ausgewandert war und sich auf den Handel mit Straußenfedern gestürzt hatte – mit beträchtlichem Erfolg. 1888 hatte Oudtshoorn bereits zwei Synagogen und 1904 die erste »hebräische Schule« Südafrikas, was ihm den Beinamen Klein-Jerusalem eintrug. Oudtshoorn wurde zum reichsten Bezirk der Kapkolonie, 1913 gab es hier zwei Zeitungen, zwei Hochschulen und drei Hotels. Im Museum sind die erhaltenen Teile der Synagoge ausgestellt, der siebenarmige Leuchter in Gold vor einem schneeweißen
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