Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
Wellen und Strudeln, die im Kielwasser dieser riesigen Schiffe erzeugt wurden.
    Sam schaltete das Echolot ein. Seine Crew – Terry und Matt – stand neben ihm, hielt auf dem Bildschirm nach sichtbaren Erhebungen in der Tiefe Ausschau und versuchte, die Struktur des Meeresbodens mit dem Sonar abzugleichen, einem Navigations- und Entfernungsmessgerät, das auf einem Schallortungsverfahren basiert. Dana vergaß ihre Eifersucht. Sie saß wie versteinert da, einen Arm um Allie gelegt. Quinn trat einen Schritt zurück, schmiegte sich wie früher, als sie ein kleines Mädchen gewesen war, auf der anderen Seite an sie. Das Wissen, der Stelle nahe zu sein, an der Lily und Mark den Tod gefunden hatten, hüllte sie wie ein Nebelschleier ein, und sie spürten, dass sie nur wieder herausfinden würden, wenn sie eng beisammen blieben.
     
    Quinn hätte schwören mögen, dass sie genau erkannt hatte, welches
Ping
die Position verriet.
    Jedes Echo, das vom Meeresboden zurückgeworfen wurde, klang gleich dumpf, als das Sonar vom Rumpf der
Westerley
seine Schallwellen zum Grund des Sunds schickte. Doch plötzlich war da ein Geräusch wie ein helles Glöckchen – ein kurzer, leiser Gruß vom Meeresboden, der Quinn sagte, dass sie das Boot ihrer Eltern geortet hatten.
    »Hier ist es«, sagte sie zu Tante Dana und Sam. »Wir haben es gefunden.«
    Sam sah sie an, als sei sie von allen guten Geistern verlassen oder eine angehende Kollegin, die noch nicht trocken war hinter den Ohren.
    »Möglich wäre es.«
    »Ich bestehe darauf, dass wir hier tauchen.« Sie versuchte, ihrer Stimme einen gelassenen Klang zu geben. Aber ihr Herz führte sich auf wie ein kleiner Hund, der sich zu befreien suchte. Der sich drehte und wie verrückt gegen die Wände seines Gefängnisses hämmerte.
    »Du hast heute das Sagen«, erwiderte Sam.
    »Wie bitte?«
    »Du hast das Schiff gechartert. Wir sind deinetwegen hier.«
    »Apropos gechartert.« Sie holte das Geld aus ihrer Tasche. »Die erste große Rate hast du bereits bekommen, und hier sind noch einmal sechs Dollar. Wie du weißt, ist der Ertrag des Hotdog-Stands – aufgrund der schlechten Wetterlage – hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Ich werde die Restsumme von zwei Dollar so schnell wie möglich beschaffen.«
    »Du siehst wie jemand aus, der für seine Schulden geradesteht.«
    »So ist es.« Dann drehte sie sich um und sagte, Bestätigung heischend: »Richtig, Tante Dana?«
    »Absolut.« Dana war wunderschön in ihren weißen Shorts, einer weißen Bluse und einer mit Farbe beklecksten blauen Kappe. Ihre braunen Haare waren vom Wind zerzaust, und sie sah aus wie eine freche kleine Göre, die sich den Anschein gab, erwachsen zu sein.
    Quinn, ihre Schwester und ihre Tante sahen zu, wie Sam seinen Taucheranzug anlegte. Er sah toll aus, schlank und durchtrainiert. Seine Rippen traten hervor, sein Bauch war gebräunt, und Quinn fand es höchst interessant, wie Tante Dana ihn verstohlen musterte, wobei sie vorgab, einen Frachter zu beobachten, der die Schifffahrtsstraße entlangfuhr.
    Quinn räusperte sich und sagte, sie wolle zum Bug vorgehen. Tante Dana hatte nichts dagegen einzuwenden. Als Quinn die Treppe hinunterstieg, die vom Steuerhaus zur Kabine führte, griff sie in den Bund ihrer Shorts. Sie hatte eine Ausnahme gemacht.
    Normalerweise hätte sie nie gewagt, ihr Tagebuch mit nach Hause zu nehmen. Nach dem unliebsamen Zwischenfall, als ihre Mutter es gelesen hatte, hatte sie sich geschworen, es in seinem Versteck am Little Beach zu lassen. Aber heute hatte sie es bei sich haben wollen, um die Ereignisse des Tages in chronologischer Reihenfolge aufzuzeichnen, der Nachwelt und ihrer geistigen Gesundheit zuliebe.
    Mit untergeschlagenen Beinen nahm sie auf einer Sitzbank in der Kabine Platz und begann zu schreiben.
    Wir befinden uns an Bord der RV Westerley. Sam wird gleich bis zum Meeresgrund tauchen und die Wahrheit herausfinden. Es ist ein sonniger Tag. Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie hatte ich gedacht, der Himmel würde grau und das Wasser schwarz sein. Ich habe die schlimmsten Befürchtungen, was die Antworten betrifft, die er mitbringen wird. Sam ist vom Gegenteil überzeugt – ich sehe es ihm an. Er würde nicht tauchen, wenn es anders wäre.
    Ich erinnere mich an den Tag, als Mommy mein Tagebuch las. Sie war außer sich vor Wut. Mit ihren großen Augen und dem viel zu dunklen Lippenstift, der ihrem Mund einen bösen Zug verlieh, hatte sie Ähnlichkeit mit den Monstern aus

Weitere Kostenlose Bücher