Schilf im Sommerwind
ein Schweif im Wind flatternd, hätte sie eine ideale Volleyballspielerin abgegeben. Ihre weißen Shorts saßen tief auf den Hüften, unter dem hautengen blauen T-Shirt zeichnete sich ein Bikini-Oberteil ab.
»Wir sind aber weit weg von der Küste«, sagte Allie beunruhigt. »Weiter als beim Segeln.«
»Nur ein bisschen.« Dana zwang sich, den Blick von Terry zu lösen, und deutete auf ihr reguläres Segelrevier in unmittelbarer Nähe der Küste.
»Niemand hat dich gezwungen mitzukommen«, warf Quinn ein. »Du hättest genauso gut bei Mrs. Campbell bleiben können.«
»Ich bin wegen Mommy und Daddy hier, aber ich will nicht, dass etwas passiert, dass uns das Gleiche zustößt wie ihnen …«
»Du musst keine Angst haben, Allie.« Quinn holte Kimba aus Danas Strandtasche und drückte ihn ihrer Schwester in die Hand.
»Du auch nicht.« Allie lächelte.
Dana schwieg und überließ es den Schwestern, sich gegenseitig Mut zu machen, so wie es früher bei Lily und ihr gewesen war. Die Sonne glitzerte auf dem Sund. Vergnügungsdampfer kreuzten ihren Weg, Segelschiffe krängten hart am Wind, Motoryachten zogen Wasserskier hinter sich her, Jetski sprangen über die Wellen wie Motorräder auf Kufen. Terry und Matt – das zweite Crewmitglied – unterhielten sich leise an der Reling.
Sie passierten die grüne Tonnenboje, die das eine Ende der Wickland Shoals markierte, und die rote Glockenboje am anderen Ende. Dahinter begann das offene Meer. Als Dana sich umdrehte und über die Schulter zurückblickte, war die Küste von Connecticut nur noch eine schimmernde Linie am diesigen Horizont hinter ihnen. Vor sich, in noch weiterer Entfernung, sah sie die Nordküste von Long Island.
»Haben wir die Hälfte der Strecke geschafft?«, fragte sie.
»Noch nicht ganz. Aber fast«, sagte Sam.
»Wie kannst du das wissen? Nur vom Sehen?«, hakte Quinn nach.
»Nein, deine Tante ist die Malerin mit dem Eins-a-Augenmaß. Ich bin auf elektronische Hilfsmittel angewiesen.«
»Sam ist ein hervorragender Navigator«, rief Terry. »Lass dir mal von ihm erzählen, wie er uns in einem Sturm heil von Montauk zurückgebracht hat!«
»Ihr wart miteinander in Montauk?« Dana fühlte sich außer Stande, einen Anflug von Eifersucht zu unterdrücken.
»Einer Delphinschule auf der Spur«, sagte Sam. Dana nickte. Sie konnte ihren Blick nicht von Terrys langen Beinen abwenden. Monique war fünfundzwanzig gewesen, nur drei Jahre älter. Bevor Dana sie mit Jon erwischt hatte, hätte sie gesagt, Eifersucht sei ihr fremd. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, in jeder Frau eine Rivalin zu sehen. Nun betrachtete sie Terry und wünschte sich, der bohrende Schmerz in ihrem Innern möge nachlassen.
Sam zeigte Quinn und Allie, wie das GPS funktionierte. Er drückte verschiedene Knöpfe, und Quinn zeichnete die Position des Schiffes auf der Karte ein. »Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit, festzustellen, wo wir uns befinden«, sagte er nach einer Minute.
»Und welche?«
»Seht ihr das da drüben?« Sam deutete nach vorne.
Dana und ihre Nichten spähten durch die Windschutzscheibe am Ende des Bugs. Terry und Matt blickten ebenfalls hinüber. Das Meer vor ihnen war von riesigen Wellenbergen und -tälern durchzogen. Es waren die verwirbelten Spuren, die im Kielwasser eines fahrenden Schiffes entstanden: Sie stammten nicht von dem Vergnügungsdampfer, den sie vor wenigen Minuten gesichtet hatten, sondern von einem vorbeifahrenden Öltanker.
»Die Schifffahrtsstraße«, sagte Sam, als Dana den Feldstecher nahm. Der Tanker war länger als ein Footballfeld. Er war schwarz und rot gestrichen, Roststreifen liefen an seinem Rumpf hinab. Da er großen Tiefgang hatte und von Osten nach Westen fuhr, nahm Dana an, dass er randvoll mit Rohöl beladen und von der Hafenstadt Providence – am Nordende der Narragansett Bay – nach New York unterwegs war.
»Da fahren wir rein?« Allie kauerte sich auf Danas Schoß zusammen.
»Nein, keine Bange. Nur näher heran.«
»Zum Hunting Ground«, flüsterte Quinn, und Dana schauderte.
Nun fuhr ein Schleppkahn mit hoch übereinander gestapelten Containern vorbei. Die Schlepptrosse, ein dickes Drahtseil, war lang und kaum auszumachen, aber der Kahn, der sie hinter sich herzog, hatte Lichter auf einem der Masten, um den Schleppzug bei Dunkelheit kenntlich zu machen. Sam deutete darauf und erklärte Quinn, dass jedes Licht für zwanzig Fuß Schlepptrosse stand. Quinn hörte aufmerksam zu, wie gebannt von den hohen
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