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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Luft. »Ich muss fahren, und damit basta. Ich werde vorsichtig sein – das bin ich immer. Ich habe eine Menge Zeit in Großstädten verbracht, New York eingeschlossen. Und nicht zu vergessen die Geschenke, die ich mitbringen werde.«
    »Wir sind nicht materialistisch eingestellt«, winkte Quinn ab. »Das interessiert uns nicht.«
    »Geschenke, Quinn«, flüsterte Allie und zupfte ihre Schwester am T-Shirt.
    »So, und jetzt gebt mir einen Kuss.« Dana nahm die Mädchen in die Arme und drückte sie mit aller Kraft an sich. Sie liebte die beiden über alle Maßen. Die Kiefern draußen vor dem Fenster schwankten im Augustwind, und die Seemöwen zogen spielerisch und mit lautem Geschrei ihre Kreise. Sie spürte, wie ihr Entschluss ins Wanken geriet und sie nahe daran war, zu Hause zu bleiben.
    Aber nur ›nahe daran‹. Sie brauchte einen Tag Abstand. Sie wollte nicht mehr über die Probleme ihrer Schwester nachdenken und freute sich auf die Erholungspause von ihren Nichten, bei aller Liebe. Sie sehnte sich nach der Gesellschaft anderer Erwachsener und der Fachsimpelei bei einem Arbeitsessen, nach einem Bummel durch die Galerien von SoHo, einen ganzen Nachmittag lang, ohne dass jemand irgendetwas von ihr wollte – kurzum: Sie wollte, wenn auch nur für kurze Zeit, in ihr altes Leben eintauchen, in dem sie nur gemalt und es anderen überlassen hatte, ihre Bilder zu verkaufen. Und sie musste Sam wiedersehen, um sieben Uhr am Lincoln Center …
    »Was ist denn das?«
    Beim Klang von Quinns Stimme zuckte Dana zusammen. Ihre Kostümjacke klaffte auseinander und enthüllte den kleinen goldenen Schlüssel, den sie an der Silberkordel um den Hals trug. Die beiden Mädchen starrten ihn gebannt an.
    »Ist das Mommys?«, fragte Allie.
    »Wie kommst du darauf, Allie?«
    »Sie hatte so einen.«
    »Weißt du, wozu er gehört?«, fragte Dana aufgeregt.
    »Ich glaube, zu ihrem Tagebuch.« Allie kicherte nervös, aber der Blick, den sie ihrer Schwester zuwarf, war entrüstet. »Sie hat ihn bei Quinns Tagebuch ausprobiert, bevor sie das Schloss aufgebrochen hat. Mommys Schlüssel passte nicht.«
    »Halt die Klappe, Allie.«
    »Was ist passiert, Quinn?«, fragte Dana betroffen.
    Quinn schüttelte den Kopf und wurde rot. Allie rückte auf dem Bett näher, als wollte sie ihre Schwester trösten. Sie blickte Dana an. »Mommy hat ihr Tagebuch gelesen.«
    »Stimmt das?«
    Quinn nickte beschämt.
    »Warum?«
    »Sie hat gesagt, dass sie sich Sorgen um Quinn macht«, sprang Allie in die Bresche. »Dass sie es nur zu Quinns Bestem sei. Quinn war stinksauer.«
    Quinn zitterte am ganzen Körper. Mit ihrem finsteren Blick und dem geröteten Gesicht sah sie aus, als würde sie jeden Moment explodieren. Dana nahm ihre beiden Hände und schüttelte sie sanft. »Ich mache
dir
doch keinen Vorwurf. Deine Mutter war es, die sich nicht richtig verhalten hat.«
    »Obwohl es zu meinem ›Besten‹ war?«
    Kopfschüttelnd erinnerte sich Dana an eine ähnliche Begebenheit vor dreißig Jahren. »Quinn, ich muss dir etwas gestehen: das Herumschnüffeln in fremden Tagebüchern scheint in unserer Familie Tradition zu haben. Als ich in deinem Alter war, oder etwas jünger, hatte sich meine Mutter in den Kopf gesetzt, dass ich deine Mutter und Marnie – Mrs. Campbell – zu gefährlichen Abenteuern überrede.«
    »Was für welche?«
    »Zum Beispiel mit mir nach Gull Island zu rudern, um dort Picknick zu machen, oder mich bei der Suche nach den Indianerhöhlen auf der anderen Seite der Eisenbahnlinie zu begleiten. Und ein Wettschwimmen quer durch den Sund zu veranstalten.«
    »Und, hast du?«
    »Ähm, natürlich nicht.« Sie hüstelte. »So etwas würde ich nie machen. Wofür hältst du mich? Und wenn doch, hätte ich es nicht in mein Tagebuch geschrieben. Aber meine Mutter glaubte, sie würde vielleicht einen Hinweis darauf finden, und so suchte sie mein Tagebuch und las es von vorne bis hinten, zu meinem Besten.«
    »Stand was über Jungen drin?«, fragte Allie.
    Dana nickte ernst. »Fast nur.«
    »Bei mir nicht«, erklärte Quinn kategorisch. »Ich hatte bisher keine Zeit für Jungen.«
    »Wie dem auch sei, meine Mutter las jedenfalls das Tagebuch, und mir kam es vor, als hätte sie mir auf den Grund der Seele geblickt.«
    »Ich hatte das gleiche Gefühl«, sagte Quinn.
    »Es dauerte lange, bis das Vertrauen zwischen uns wiederhergestellt war.«
    »Das hätten wir auch geschafft«, flüsterte Quinn. »Aber meine Mutter ist vorher gestorben.«
    Dana umarmte

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