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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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gar nicht weg.
    »Ich wollte mich nur verabschieden.«
    »Wir
fahren
nicht«, sagte das ältere der beiden Mädchen.
    »Es war ein harter Tag.« Danas Augen füllten sich mit Tränen. »Und Lebewohl zu sagen fällt jedem schwer.«
    »Das Taxi ist nicht gekommen«, sagte das Mädchen. »Das ist nicht unsere Schuld.«
    »Jedem?«, fragte Sam, sich auf Danas Worte beziehend.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ganz so einfach ist es nicht. Ich habe die Flugtickets bereits gekauft. Sie waren teuer. Und abgesehen davon, dass uns der Abschied schwer fällt, gibt es noch eine weitere Tatsache zu bedenken, dass wir nämlich nicht hier bleiben können. Ich kann es zumindest nicht –«
    »Fährst du uns?«, fragte das jüngere Mädchen und lächelte ihn so heiter an, dass sich Sam an Lily erinnert fühlte.
    »Halt die Klappe, dumme Kuh«, rief das Mädchen mit den Zöpfen zornig.
    Sam wünschte, sie würden bleiben. Er hatte Dana lange nicht gesehen, aber selbst wenn sie abreisen würde, war er froh, sie noch angetroffen zu haben. Es gab einige Dinge, die er ihr gerne erzählt hätte, und andere, die er über ihr Leben in Erfahrung bringen wollte. Freunde von früher konnte man ohnehin an einer Hand abzählen, und seit er Dana wieder begegnet war, hatte er keine Eile, sie erneut ihrer Wege ziehen zu lassen.
    »Zum Flughafen?«, fügte die jüngere Schwester hinzu, immer noch lächelnd.
    »Du kannst nicht einfach jeden x-beliebigen Mann fragen, ob er uns fährt«, sagte ihre ältere Schwester, ungläubig, wie jemand ein solches Ansinnen äußern konnte.
    Sam hatte diesen Verlauf gewiss nicht eingeplant, aber die Idee war nicht schlecht. Wenn sie schon abreisen mussten, würde er wenigstens noch ein wenig Zeit mit Dana verbringen können. »Das mache ich gerne«, sagte er. »Wenn deine Tante einverstanden ist.«
    »Sam, du musst nicht –«
    »Ich weiß.« Er nickte, als der Gedanke Fuß zu fassen begann und er Augustas Stimme in seinem Kopf hörte, die ihn anspornte. »Ich möchte aber – ich tue es wirklich gerne. Ich meine, wie wollt ihr sonst zum Flughafen kommen?«
    »Ein gutes Argument.« Ein Lächeln breitete sich auf Danas Gesicht aus.
    »Lass ihn doch«, bettelte das jüngere Mädchen.
    »Dumme Nuss!«, zischte die Ältere ihrer Schwester zu.
    »Na gut. Dann nehmen wir dein Angebot dankend an. Los, Kinder – holt euer Gepäck.«
    Sam verstaute Koffer und Segeltuchtaschen im Kofferraum. Er merkte, wie das ältere Mädchen ihren Handkoffer umklammerte und sich weigerte, ihn auch nur in die Nähe zu lassen, aber er achtete nicht weiter darauf. Er war damit beschäftigt, sich dazu zu gratulieren, dass er im richtigen Augenblick gekommen war, und Augusta zu danken, weil sie den Anstoß gegeben hatte.
     
    Sie waren in allerletzter Minute aufgebrochen. Sam kannte den Weg zum JFK -Flughafen wie seine Westentasche, er war ihn schon oft gefahren, um Joe und Caroline abzuholen oder wegzubringen. Der blaue VW -Bus holperte über die Schlaglöcher; er war wie ein Wohnmobil ausgerüstet, Sams Zelt und Campingzubehör waren im hinteren Teil verstaut. Quinn schien das Gefährt faszinierend zu finden, aber sie verzichtete darauf, Fragen zu stellen, um nicht den Anschein zu erwecken, ihre Wut sei verraucht.
    Dana saß auf dem Beifahrersitz und sann darüber nach, ob ihre Entscheidung richtig gewesen war. Während Sam den Mädchen Fragen über den Strand und die Wassertümpel stellte, die bei Ebbe zurückblieben, und wissen wollte, ob sie jemals daran gedacht hätten, Meeresforscher zu werden, versuchte sie, ihrer inneren Erregung Herr zu werden.
    Sie starrte aus dem Fenster, auf die Landschaft von Connecticut, die an ihr vorüberglitt. Sie liebte diesen Bundesstaat. Ihre Schwester hatte hier den größten Teil ihres Lebens verbracht, und Dana war so oft wie möglich zu Besuch gekommen. Die sanften Hügel, das dunkelgrüne Dickicht der breitblättrigen Kamelien, die Steinbrücken über dem Merrit Parkway: Sie konnte aufrichtig behaupten, dass diese Landschaft ganz nach ihrem Geschmack war.
    Dennoch hatte sie stets den Drang verspürt zu reisen: Kalifornien, Kanada, Griechenland, Italien, Frankreich – überall gab es neue und andersartige Meere, Küstenstriche und Häuser zu entdecken. Lily hatte sie immer damit aufgezogen und gesagt, sie habe nur Angst.
    »Angst wovor?«, hatte Dana gefragt.
    »Angst, sesshaft zu werden. Du befürchtest, dein Leben könnte so ereignislos verlaufen wie meines.«
    In gewisser Hinsicht hatte ihre

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