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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Elternhaus. Meine Mutter versuchte zwar, es mir zu erklären, aber ich musste selbst die Erfahrung machen. Es ist noch zu früh, sie aus ihrer vertrauten Umgebung herauszureißen.«
    Sam räusperte sich. Er musste weiterfragen – nicht weil er sie quälen, sondern weil er sie verstehen wollte. »Was hat dich auf die Idee gebracht, du solltest sie mitnehmen?«
    »Weil ich dachte, es sei in Lilys Sinn«, flüsterte Dana.
    »Lily –«
    »Sie hat für die Mädchen gesorgt, und ich habe für mich selbst gesorgt. Daran bin ich gewöhnt. Ich war der festen Überzeugung, ich würde es nicht ertragen, in Hubbard’s Point zu leben, in Lilys Haus, deshalb beschloss ich, mich diesem Stress gar nicht erst auszusetzen. Ich hatte gehofft, dass sich die beiden meiner Lebensweise anpassen. Kinder sind viel flexibler, dachte ich. Bis ich Quinns Gesicht sah …«
    Sam nickte. Schon in frühester Kindheit auf sich selbst gestellt, hatte er gelernt, seine Probleme alleine zu meistern, sich nur auf sich selbst zu verlassen. Er nahm jede Unterstützung an, die man ihm bot – von Joe und dem Rest der Welt –, mit Dankbarkeit und echter Freude, jedoch ohne sich groß Gedanken darüber zu machen, wie er andere in seine Gleichung einbeziehen sollte. Als er nun zu Dana hinüberblickte, sah er, dass ihr offenbar ähnliche Überlegungen durch den Kopf gingen.
    Sie wechselten auf die I-95 und legten den größten Teil der Strecke schweigend zurück. Sam schaltete das Radio ein. Wenn er alleine fuhr, sang er gerne laut vor sich hin. Danas Lippen bewegten sich lautlos, und er merkte, dass sie offenbar die gleiche Angewohnheit hatte. Die Musik schien eine beruhigende Wirkung auf sie zu haben, deshalb blieb er stumm, ließ sie zuhören.
    Unmittelbar nach dem Connecticut River bog er auf die Küstenstraße ab, fuhr bis zum Ibis River, quer durch die Marschen von Black Hall und unter dem Eisenbahnviadukt hindurch nach Hubbard’s Point. Das kleine Wächterhäuschen – unbemannt, bis die Sommerfrischler eintrafen – stand am Straßenrand, und Sam sah, wie Dana in Richtung der verschlossenen Tür nickte, als entbiete sie einen stummen Gruß.
    Statt in ihre französische Heimat zurückzukehren, kam sie nach Hubbard’s Point zurück. Sam fuhr die gewundene Straße entlang, vorbei an den noch leeren Cottages, an Eichen- und Kiefernhainen. Als spürten sie, wie nahe sie ihren eigenen Betten waren, begannen sich Quinn und Allie zu regen. Sam räusperte sich und blickte abermals zum Beifahrersitz hinüber, bis er sicher sein konnte, dass Dana ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte.
    »Du bist eine Tante, wie man sie sich nur wünschen kann, Dana Underhill«, sagte er so leise, dass die Mädchen ihn nicht hören konnten.
    »Da bin ich mir nicht so sicher.« Sie musterte angestrengt ihre Fingernägel, als sei ihr der Anblick verhasst, wenn sie keine Farbkleckse aufwiesen. Konnten Maler nicht überall arbeiten? Doch vermutlich entstanden ihre besten Bilder in Frankreich, so dass sie es kaum erwarten konnte, sich wieder ans Werk zu machen.
    »Du vielleicht nicht, aber ich.«
    Ihre Mutter, die gerade ihr Gepäck im Wagen verstaute und sich anschickte, in ihre Senioren-Wohnanlage zurückzukehren, blickte hoch, als Scheinwerfer die Straße entlangkamen. Sam parkte am Fuß des Hügels. »Grandma«, rief Allie schläfrig. »Wir sind wieder zu Hause«, sagte Quinn. Dana blieb stumm, aber sie blickte Sam an, als sei er als Einziger befähigt, die Geheimnisse des Universums zu entschlüsseln.
    »Ich bin mir ganz sicher«, wiederholte er mit Nachdruck. Dana ließ seine Worte auf sich wirken, wie eine Beschwörungsformel. Dann nickte sie, holte tief Luft und öffnete die Wagentür.
     
    Dana und ihre Mutter blieben noch lange auf und tranken Tee, während sich die Mädchen im Garten vergnügten. Nach dem kurzen Nickerchen im Auto waren sie putzmunter, rannten im Kreis herum und zeichneten mit ihren Taschenlampen Bilder in den Nachthimmel. Maggie hatte im kühlen Gras Position bezogen, zu Füßen ihres Frauchens, und beobachtete das muntere Treiben aus sicherer Entfernung.
    »In dem Moment, als ihr wegfuhrt, fiel mir auf, dass die Urne fehlt«, sagte Martha.
    »Im gleichen Moment?« Dana versuchte, sich die Situation vorzustellen.
    »Ja, ich wollte kurz Zwiesprache mit Lily halten. Ich ging zum Kaminsims wie so oft, seit ich mit den Mädchen alleine war, um ihr zu sagen, dass sie sich in guten Händen befinden und mit dir nach Frankreich fliegen. Dreimal darfst du

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