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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Krimis und Selbsthilfebücher offenkundig. Letztere hatten Dana womöglich am meisten überrascht: Welche Art von Hilfe hatte Lily gebraucht bei ihrem erfüllenden Leben?
    Im Gegensatz zu Dana hatte sich Lily für den Weg entschieden, der ihnen seit ihrer Kindheit vorbestimmt schien. Familienleben, Haushalt, Ehemann und Kinder. Die Kunst war eine Berufung, die Ichbezogenheit verlangte: Dana hatte für ihre Leidenschaft leben wollen.
    Sie war mit verschiedenen Männern ausgegangen, die ihren Weg kreuzten, hatte ihre Gesellschaft genossen, bisweilen lang genug, um sich näher zu kommen. Einmal, mit Philip Walker, wäre beinahe mehr daraus geworden. Ihre Beziehung hatte acht Monate gehalten, das war sechs Jahre her. Er war Anwalt und fand ihre Arbeit faszinierend. Anfangs hatte ihr das konventionelle Leben gefallen, und sie hatte den Reiz des Neuen genossen.
    Doch dann kam es immer öfter vor, dass sie eine Inspiration hatte, die ganze Nacht aufblieb und versuchte, genau die richtige Blauschattierung anzumischen, so dass sie tagsüber den Schlaf nachholen musste und wichtige Ereignisse verpasste: ein Picknick, eine Segelpartie, Essen mit einem seiner Mandanten, die Fahrt zu seinen Eltern, die sie kennen lernen wollten. Philip hatte dafür kein Verständnis, und sie erwartete es auch nicht. Kein Mann verstand, was sie umtrieb.
    Bis sie Jonathan begegnete.
    Sie hatte lange einen großen Bogen um ihre männlichen Kollegen gemacht. Sie führten ein Leben, das dem ihren in vielen Aspekten glich – sie waren zu sehr auf die eigene Arbeit konzentriert, um sich auf eine echte Partnerschaft mit einer Frau einzulassen, die dem gleichen Beruf nachging. Jon Hull schien aus einem anderen Holz geschnitzt zu sein. Zu Beginn ihrer Beziehung hatte er sie in dem Glauben bestärkt, nichts könne sie trennen. Er hatte ihre künstlerische Entwicklung verfolgt und behauptet, sie sei die brillanteste zeitgenössische Malerin. Sein großes künstlerisches Vorbild.
    Ganz zu schweigen davon, dass sie die schönste Frau in Frankreich sei. Frauen in seinem eigenen Alter interessierten ihn angeblich nicht. Und Französinnen könne er schon gar nichts abgewinnen. Wenn er im Atelier war, um ihr bei der Arbeit zuzuschauen, die Rollos halb heruntergezogen, um das richtige Dämmerlicht zu erzeugen, hatte er den geschmeidigen braunen Körper der jüngeren Monique, die in der lasziven Pose einer Meeresnymphe auf der Chaiselongue ruhte, kaum eines Blickes gewürdigt. In diesen Monaten, in denen sie sich in ihn verliebt hatte, schien er nur Augen für Dana haben.
    Aber das war Ewigkeiten her, dachte sie. Die Vietnamesin war nicht länger ihre Freundin und Jonathan nicht länger ihr Geliebter. Das Vertrauen war zerstört. Dana hatte es kaum noch ertragen, die schöne junge Asiatin anzublicken. Wenn sie Männer in Jons Alter sah, sann sie beschämt darüber nach, was sie zu der törichten Annahme verleitet haben mochte, ihre Beziehung könne von Dauer sein.
    Während sie den Kräutergarten wässerte, fragte sie sich, ob Lilys Regale auch Selbsthilfebücher für Frauen enthielten, deren jüngere Lebenspartner zuerst in Fantasien über ihre Malermodelle geschwelgt und sie dann mit ihnen betrogen hatten. Vielleicht gab es ja Ratgeber für Frauen wie sie, die alle fünfundzwanzigjährigen Geschlechtsgenossinnen mit honigfarbener Haut und straffem Körper zum Teufel wünschten.
    Als die Sonne hoch über der Bucht und den beiden Brothers im Norden und Süden stand – Felseninseln, die nur von Seemöwen bewohnt waren –, kehrte Quinn nach Hause zurück. Sie schlich auf leisen Sohlen durch den Garten, als wollte sie verhindern, dass Dana sie entdeckte, und stahl sich ins Haus.
    Dana folgte ihr und ertappte sie dabei, wie sie in den Küchenschränken stöberte. Das helle Morgenlicht ergoss sich über den auf Hochglanz polierten Fußboden aus Kiefernholz. Dana konnte nicht umhin, an das Linoleum zu denken, das in ihrer Kindheit hier lag, und bewunderte Lily und Mark, weil sie den alten Belag herausgerissen und den darunter befindlichen Naturholzboden entdeckt hatten.
    Mark war auf Martha’s Vineyard aufgewachsen und eigentlich Tischler von Beruf. Er war bei einem Zimmermann in die Lehre gegangen, hatte das Handwerk von der Pike auf gelernt. Lily hatte seine Arbeit geliebt und ihre Freude daran gehabt, ihm zuzuschauen, wenn er den Hammer schwang und die Wasserwaage ausrichtete. Als er umsattelte und eine Bauträgerfirma gründete, die Grundstücke erschloss,

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