Schilf im Sommerwind
Dana.
»Halt endlich die Klappe!«, herrschte Quinn sie an.
»Quinn ist schuld«, sagte Allie gepresst, Todesangst in den Augen. »Ich wollte nicht mit, aber sie hat gesagt, ich
muss
, das sei ich Mommy und Daddy schuldig. Bringt mich zurück, ich mag nicht segeln, bitte, bringt mich an den Strand zurück …«
»In Ordnung.« Dana hielt die Mädchen fester im Arm. Die Sonne war grell, und der Sund spiegelglatt. Um diese Jahreszeit waren nur wenige Boote unterwegs. In dieser Entfernung vom Ufer wehte ein leichter Wind, und der Rumpf des Schiffes pflügte mit einem leisen Sirren durch das Wasser. Es war ein idealer Tag zum Segeln, und beide Mädchen waren Wasserratten, aber Dana wusste, dass sie Angst hatten. »Was meinst du, Sam?«
»Wir können jederzeit umkehren.« Sam segelte vor dem Wind, der Klüverbaum schwang weit aus, und der Rumpf lag beinahe flach auf dem Wasser; Dana versuchte, sich Jonathan in der gleichen Situation vorzustellen. »Aber …«
»Kein Aber«, keuchte Allie. »Bitte, ach bitte!«
»Lass ihn ausreden«, sagte Quinn, die Zähne zusammengebissen.
»Du bist eine gute Seglerin, Quinn.«
»Früher schon.«
»Segeln ist wie Radfahren. Man verlernt es nicht.«
»Ich hoffe …«
»Er hat Recht, Quinn.« Dana streckte die Hand aus. »Du machst deine Sache gut. Deine Mom hat immer gesagt, dass du die beste Seglerin bist, die sie kennt. Sie selbst und ich eingeschlossen.«
»Und das will etwas heißen«, stimmte Sam zu.
Dana lachte, und Quinn hätte beinahe gelächelt. Dana sah, wie sie die Nase in den Wind hielt und schnupperte, die Ruderpinne in der Hand betastete. »Na los, mach du den Skipper!«
Sehr langsam und gelassen löste Sam das Großsegel und nahm die Hand von der Ruderpinne. Das Boot blieb stehen. Die Nase im Wind, dümpelte es rund hundert Meter vom Strand entfernt gemächlich vor sich hin. Die beiden Mädchen beruhigten sich; Dana spürte regelrecht, wie sich die Verspannung bei ihnen löste – und auch bei ihr.
»Nur Mut, Quinn!«
»Wir kentern nicht«, sagte Allie verwundert und verrenkte sich den Hals wie ein Vogel, der aus dem Nest späht.
»Ihr habt die beste Segellehrerin der Welt an Bord«, sagte Sam. »Ich weiß es, weil sie es mir beigebracht hat.«
»Mir auch«, antwortete Quinn. »Ich habe es bei Mommy und ihr gelernt.«
»Ich auch«, erklärte Allie.
Sam fing Danas Blick auf und lächelte. Sein Gesicht ist sensibel und unglaublich attraktiv, dachte sie. Seine Augen strahlten hinter den Brillengläsern und spiegelten blaugrün das Meer wider. Aber sie schüttelte den Kopf, bedeutete ihm, dass auch gutes Zureden nicht half: Allie hielt ihr Handgelenk so fest umklammert, als wollte sie nie wieder loslassen.
»Also Quinn, was ist? Übernimm du das Ruder«, sagte Sam.
»Jetzt?«
»Klar. Warum nicht? Allie, ihr könnt euch nachher abwechseln, wenn du möchtest.«
»Wozu soll das gut sein?«, sagte Allie und bohrte ihre Nägel in Danas Haut.
»Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man nicht so viel Angst hat, wenn man weiß, wie etwas gemacht wird«, sagte Sam. »Wenn man spürt, dass man eine Situation unter Kontrolle hat.«
»Heute ist vielleicht nicht der richtige Tag, um eure Kenntnisse aufzufrischen.« Dana blickte auf Allies Finger, die ihr Handgelenk umspannten.
»Ich würde es gerne versuchen«, sagte Quinn langsam. »Du auch, Al?«
»Ich weiß nicht …«
»Nur zu. Deine Tante ist die beste Segellehrerin der Welt, und ich weiß, wovon ich rede. Es ist ihr sogar gelungen, mir das Segeln beizubringen, und das will was heißen.«
»Wir waren auch schon auf dem großen Boot, auf Daddys Boot«, sagte Allie. »Aber das konnten wir nicht alleine segeln. Es war zu groß und hat dauernd auf der Seite gelegen.«
»Gekrängt, Allie«, entgegnete Quinn. »So heißt das bei den Seglern.«
»Heute ist kein hoher Seegang; wir werden also kaum krängen«, sagte Sam. »Es sei denn, ihr möchtet unbedingt.«
Dana spürte, wie die Spannung langsam von ihr abfiel. Auf dem Wasser zu sein hatte schon immer eine beruhigende Wirkung auf sie gehabt, war eine tief greifende Erfahrung gewesen. Sams Stimme klang ruhig, so leicht wie der Wind, und sie bewunderte seinen Einfallsreichtum und die Fähigkeit, ihre Nichten zum Segeln zu ermutigen, was ihr misslungen war. Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, als ob Sam – nur ein wenig – an dem Schutzwall kratzte, den sie um sich errichtet hatte.
»Gut, dann versuche ich es«, sagte Allie zaghaft.
»Ich
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