Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

als großartige Dekoration auf dem Kaminsims vorstellen.
    Jack griff nach meiner Hand, und plötzlich wusste ich genau, wo er den Rest seines Lebens, sollte er in diesem Jahrhundert stattfinden müssen, verbringen wollte.
    „Das hat doch keinen Sinn, Jack“, sagte ich sanft. Er ließ meine Hand los. „Oder glaubst du etwa im Ernst, du allein könntest den Verlauf der amerikanischen Geschichte verändern?“
    Er schwieg.
    „Du würdest dich nur in Lebensgefahr bringen. Und mich auch, oder hast du vor, mich einfach hier zu lassen?“
    „Nein, natürlich nicht. Ich dachte nur, du würdest es verstehen.“ Er blickte enttäuscht zur Seite.
    „Ich verstehe es doch“, sagte ich ungeduldig. „Aber versuche bitte auch meinen Standpunkt zu betrachten, ja?“
    Er lächelte gequält. „Du hast sicher recht, aber ich muss es versuchen. Würdest du mitkommen?“, fragte er sehr leise und mit einem irritierend hypnotischen Blick.
    „Ich gehe überallhin mit dir.“
    Ich krabbelte über das Bett auf seine Seite. Der Steingott kippte um, kullerte über das Bett und kam neben meinem Knie zum Stillstand. Jack zog mich an sich. Wir hielten uns lange und still, bis er plötzlich sprach.
    „Weißt du, es ist einfach unerträglich für mich zu wissen, dass in diesem Moment die Regierung Nordamerikas Verträge bricht und Menschen bestialisch ermordet werden. Vielleicht kann ich nicht viel gegen die Entwicklung tun, doch ich könnte einige warnen, ihnen erklären, dass der weiße Mann ein Lügner ist und dass sie untergehen werden, wenn sie ihm glauben.“
    „Sie würden dir nicht zuhören. Es ist so unvorstellbar, dass es dir kein Mensch glauben würde.“
    „Wenn ich nur ein paar von ihnen retten könnte, würde mir das genügen.“
    Ich schwieg. Was sollte ich noch sagen? Er trug den Schmerz in sich, und niemand hätte ihn von der Sinnlosigkeit dieses Unternehmens überzeugen können.
    „Du kannst dir ihr Leid nicht vorstellen“, sagte er und sprach jetzt Englisch. In seiner Stimme schwang Mitleid und Verachtung. Den Blick ins Leere gerichtet, erzählte er mir von seinen Vorfahren. „Sie haben ihnen alles genommen. Ihre Nahrungsgrundlagen, ihren Stolz, ihre Sprache, ihre Kultur, sogar ihren Glauben. Sie zwangen sie, dem christlichen Gott zu huldigen. Das alles war noch viel schlimmer, als sie zu töten, verstehst du? Ich kenne alle berühmten Indianerreden auswendig. Eine der beeindruckendsten stammt von einem Stoney-Indianer namens Tatnga Mani. Sie gaben ihm den Namen Walking Buffalo. Hör sie dir mal an:
    Wir standen in guter Beziehung zum Großen Geist, dem Schöpfer und Herrscher von allem. Ihr Weißen behauptet, wir seien Wilde.
    Wir sahen das Werk des Großen Geistes in fast allen Dingen: der Sonne, dem Mond, den Winden, den Bäumen und den Bergen. Manchmal näherten wir uns ihm mit Hilfe dieser Dinge. War das so schlimm?
    Ich glaube, wir haben einen wahrhaften Glauben an ein höchstes Wesen, einen stärkeren Glauben als die meisten Weißen – die uns dennoch Heiden nennen ...
    Indianer, die der Natur nahe sind und auch dem Herrscher der Natur, leben nicht in Dunkelheit.
    Wusstet ihr, dass Bäume sprechen?
    Nun, das tun sie.
    Sie sprechen miteinander, und sie sprechen auch zu euch, wenn ihr nur zuhört. Das Problem ist, dass die Weißen nicht zuhören. Ich habe viel von den Bäumen gelernt: manchmal über das Wetter, manchmal über Tiere und manchmal über den Großen Geist.“
     
    Ergriffen lauschte ich seiner Stimme und wischte mir verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.
    „Das muss ein beeindruckender Mann gewesen sein.“
    Jack fing eine meiner Tränen auf und zerrieb sie langsam zwischen seinem Daumen und Zeigefinger, als wolle er sie einmassieren.
    „Und das passiert wirklich jetzt, in diesem Jahrhundert?“
    „Genau jetzt.“
    In seinen Augen blitzten Zorn und Wut auf, und ich konnte ihn gut verstehen. Dazu musste man kein Indianerblut in den Adern haben.
    „Wie lange willst du nach unserer Rückfahrkarte suchen, bevor du in die Kolonien aufbrechen willst?“, fragte ich ein wenig bange.
    Er überlegte einen Moment.
    „Ich würde sagen, wenn Anna entbunden hat und ich sicher bin, dass Johannes den Laden hier schmeißen kann.“
    Inzwischen kannte ich diesen entschlossenen Gesichtsausdruck sehr gut, der mir signalisierte: Hugh, ich habe gesprochen!
    Ich nahm mir vor, ab morgen noch intensiver nach dem Artefakt zu suchen.
     
    Es war nun März, und langsam zog sich der harte Winter zurück, und die