Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
Lisa öffnete die Tür, machte eine richtungsweisende Handbewegung und verschwand. Ihr Gesichtsausdruck war wie versteinert. Noch ein Gast von unserer Sorte war wohl mehr, als sie ertragen konnte.
Das helle Zimmer wirkte direkt gemütlich. Es verfügte über einen kleinen Kamin und ein Bett, aus dem wahrscheinlich Jacks Füße herausragen würden. Eine Truhe, der obligatorische Waschtisch und ein kleiner Tisch mit dazugehörigem Stuhl vor dem Fenster gehörten ebenfalls zur Ausstattung.
„Und? Wie denkst du über die Göttmanns?“, wollte ich neugierig wissen.
Er stand, auf seine Krücken gestützt, vor mir und blickte sich in seinem neuen Reich um. Der Vorbesitzer hatte keine Spuren hinterlassen.
„Sehr nett, merkwürdig nett. Er kennt mich überhaupt nicht und übergibt mir einfach so die Verantwortung für Frau, Kind, Haus und Hof.“
Er schüttelte verwundert den Kopf, wobei sich das Band löste und sein Haar ihm wie ein dunkler Schleier ums Gesicht fiel. Er versuchte es aus seinen Wimpern zu pusten.
„Ja, das ist ein seltsames Phänomen, das wir schon beobachten, seit wir hier sind. Aber auch ein glücklicher Umstand“, sagte ich, strich ihm beiläufig das Haar aus dem Gesicht und schob es hinter seine Ohren.
„Danke“, sagte er leise.
Ich zuckte zusammen. Was hatten meine Hände in seinem Gesicht zu suchen? Ertappt trat ich zur Seite und beschäftigte mich mit dem schweren Vorhang, der nur halb geöffnet war. Ich zog ihn ganz auf, und Sonnenstrahlen fielen ins Zimmer. Man hatte von hier aus einen guten Überblick über den gesamten Hinterhof.
Nur auf dem linken Bein stehend, nahm Jack seine Krücken und lehnte sie gegen die Wand. In Zeitlupe ließ er sich auf das Bett sinken und legte das geschiente Bein hoch. Ich stand vor dem sonnigen Fenster und wusste nicht so recht, ob ich kommen oder gehen sollte.
„Du bist wunderschön. Du passt genau in diese Zeit. Du solltest nie wieder Jeans tragen.“
Unsere Blicke trafen sich, und mir war wieder so, als versinke ich darin. Errötend räusperte ich mich.
„Du solltest so etwas nicht sagen, Jack.“
„Warum nicht?“
Mir fiel nicht gleich eine passende Antwort ein, unter seinem provokanten Blick.
„Du hast doch in meinem Rucksack bestimmt auch meine Brieftasche gefunden“, startete ich einen Versuch.
Er nickte.
„Hast du sie dir auch angesehen?“
Wieder nickte er. Ich atmete ungeduldig ein, und er fing an zu grinsen.
„Dann hast du das Bild von Robert also gesehen?“, wollte ich wissen, obwohl ich wusste, dass es so war.
„Aber ich habe dir doch bloß ein Kompliment gemacht“, sagte er betont unschuldig.
„Es kommt nicht darauf an, was du gesagt hast, sondern wie.“
Sein Blick verlor das Lächeln, doch er sah nicht weg.
„Hier, man hat dir Kleider hingelegt. Versuch doch mal, ob sie passen“, sagte ich schnell, denn ich konnte nicht länger hinsehen.
Verstand er es denn überhaupt nicht? Ich war nicht mehr frei, und es war mir peinlich, seine Annäherungsversuche abblocken zu müssen. Andererseits bestand zwischen uns eine erschreckende Vertrautheit. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals Robert das Haar oder sonst irgendetwas aus dem Gesicht gestrichen zu haben. Was war nur mit mir los?
Beschäftigt betrachtete ich die Kleidung. Ein weites weißes Hemd mit Rüschen an den Ärmeln und am Kragen, über der Brust zum Schnüren, eine weite braune Hose mit Schnüren am Bund und ein brauner Rock mit langen Schößen hingen an einem Haken an der Tür. Keine Unterwäsche, überlegte ich. Er wird doch hoffentlich einen Slip tragen, sonst wird es peinlich.
„Hilfst du mir dabei?“
Er fing schon wieder an. Wortlos hielt ich ihm das Hemd hin. Er zog sein T-Shirt über den Kopf und griff nach dem Hemd. Dabei erwischte er meine Hand und hielt sie ein paar Sekunden länger als nötig. Ich sollte jetzt gehen, anstatt seinen nackten Oberkörper anzustarren. Sein flacher Bauch erinnerte an ein Trampolin und hob und senkte sich bei jedem Atemzug auf irritierende Weise. Ich war fasziniert von seinem Brusthaar, das sich in einer schmaler werdenden Linie gen Süden zog, um dort in seinem Hosenbund in unbekannte Gefilde zu verschwinden.
„Wenn du mir hilfst, kann ich die Hose im Liegen ausziehen“, sagte er, und seine dunkle Stimme erzeugte ein Nachbeben in meinem Solarplexus.
Ich nickte und sah zu, wie er Knopf und Reißverschluss öffnete und sich geschickt aus der engen Jeans wand. Zu meiner Beruhigung trug er tatsächlich einen
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