Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
Slip. Jack verzog das Gesicht, an schein end schmerzte das Bein. Ich fasste die Hosenbeine und zog vorsichtig daran, wobei ich aufpasste, nicht an der Schiene hängen zu bleiben.
„Puh, geschafft, die Hose kann ich aber nur im Stehen anziehen.“
Ich reichte ihm die Krücken, und er stand auf. Ich kniete mich vor ihn und zog die Hose vorsichtig über das geschiente Bein. Dann stieg er in das andere Hosenbein, und ich zog die Hose höher und hielt zögernd inne. Weiter wollte ich sie nicht ziehen. Er grinste, und ich schüttelte verneinend den Kopf. Er legte die Krücken ab und zog sich die Hose selbst über seine edelsten Teile.
„Dabei lässt du dir am besten jeden Morgen von einem Dienstmädchen helfen“, schlug ich vor.
„Keine schlechte Idee“, sagte er lachend, „aber du bist mir lieber.“
„Ich schicke dir Barbara, die ist Krankenschwester“, konterte ich und betrachtete ihn, indem ich etwas zurücktrat. Er alberte herum und machte Gebärden wie ein Fotomodell. Ich lachte, reichte ihm den Rock und wartete, bis er ihn angezogen hatte. Die Hose war etwas zu kurz, doch das störte den Gesamteindruck nicht im Mindesten. Er sah mit seinem langen Haar und in diesen Kleidern schmerzhaft gut aus.
„Gefällt dir, was du siehst?“
Ich konnte es eben nicht verbergen.
„Du siehst super aus!“, gab ich zu. „Dir werden hier alle Frauen nachlaufen“, prophezeite ich ihm.
Er sah aus, als wollte er etwas sagen, tat es aber nicht, wofür ich dankbar war. Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
„Ich gehe jetzt zu den anderen. Ruh dich doch etwas aus, sie rufen dich nachher zum Essen.“
Ohne ihn noch einmal anzusehen, floh ich aus dem Zimmer. Meine Wangen glühten, mein Herz raste, und mein Kleid war völlig durchgeschwitzt. Ich war eindeutig in Schwierigkeiten.
Anette und Karin saßen in unserem Zimmer und lasen. Friedrich hatte ihnen gestattet, sich Bücher aus seiner umfangreichen Bibliothek zu nehmen. Als ich eintrat, sprach Anette mich gleich an.
„Wie geht es ihm? Hat er Schmerzen?“
„Gut, und ich glaube nicht“, beantwortete ich beides.
Ich ließ mich rückwärts auf unser Bett fallen, und es knackte gefährlich. Anette legte sich neben mich. Sie kannte mich gut und sah mir prüfend ins Gesicht. Zwischen ihren Augen bildeten sich zwei kleine Falten, wie immer, wenn sie sich Sorgen machte.
„Was ist los?“, wollte sie wissen.
Ich verlor mich in Betrachtungen der Zimmerdecke.
„Aha“, sagte Anette „Alles klar, Frage schon beantwortet.“
Sie drehte sich ebenfalls auf den Rücken.
„Was soll das wieder heißen?“
„Nichts, schon gut.“ Sie grinste und griff nach ihrem Buch.
Ich dachte über Jack nach. Er war eine große Herausforderung an meine Standhaftigkeit. Ich sähe toll aus in dem Kleid, hatte er gesagt. Er hatte keine Ahnung, wie unbequem es war. Ein Korsett aus Fischbein drückte meine Brüste nach oben und behinderte mich beim Atmen. Die lange Unterhose war bei diesem Wetter eine Zumutung, und ich hob so oft ich konnte den Rock, um etwas Kühlung darunter zu lassen. Doch langsam gewöhnte ich mich daran und vermisste meine Jeans und T-Shirts nicht mehr so sehr. Ich spielte hier eine Rolle, und das Kleid erinnerte mich jede Minute daran. Es war wie ein Kostüm, solange ich es trug, war ich im 18. Jahrhundert. Zog ich es aus, war ich wieder Isabel aus dem 20. Jahrhundert und fühlte mich ganz anders.
Die Isabel aus dem 18. Jahrhundert könnte doch den Jack aus dem 18. Jahrhundert verführen, während die Isabel aus dem 20. Jahrhundert Roberts Verlobte bleiben würde, dachte ich und musste lachen.
„Was ist so spaßig?“, fragte Anette, ließ das aufgeschlagene Buch auf ihren Bauch sinken und grinste mich an.
Ich erzählte ihr meine wirren Gedanken, denn schließlich war sie meine beste Freundin.
„Das ist eine interessante Theorie, aber ich glaube, damit bekommst du Schwierigkeiten. Ich glaube nämlich nicht, dass sich Jack, egal in welchem Jahrhundert, mit einer halben Isabel zufrieden geben wird.“
Schade. Es wäre so schön einfach gewesen.
Barbara kam aufgeregt aus dem Hospital zurück. Vier Wochen waren wir nun in der Vergangenheit, ohne auch nur einen Schritt weitergekommen zu sein. Nach und nach hatten wir begonnen, uns im Haus nützlich zu machen, ohne dem Personal seine Arbeit streitig zu machen, so dass es sich von uns nicht bedroht fühlen musste. Anna hatte nämlich keineswegs ernst gemeint, dass wir in ihre Dienste treten sollten. Das
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