Schimmernder Rubin
dass er Nowikow gefiel, von Gillespie chauffiert zu werden. Der Hauptfeldwebel hatte die Fahrt schon mal in ein paar Stunden geschafft. Einmal hatte er allerdings auch sieben gebraucht. Es kam darauf an, wie genervt er war. Je wütender er war, desto mehr wurde getrödelt.
Wenigstens war Nowikow im Augenblick aus dem Weg. Manchmal stellte ein Klient eher ein Ärgernis als eine Hilfe dar, vor allem, wenn er kein Vertrauen verdiente. Aber es gab immer noch ein paar offene Fragen. Nur wer wagte, gewann.
Cruz griff nach dem Telephon, das an der Bordwand vor ihm hing, und tippte ein paar Zahlen ein. Gillespie antwortete aus dem Mercedes irgendwo in der Wüste unter ihm.
»Gillie, frag doch mal deinen Fahrgast, ob er die Frachtbriefnummer des Pakets rauskriegen kann, das bei der Lieferung aus Tokio gefehlt hat.«
Der Hauptfeldwebel leitete die Frage weiter. Einen Augenblick lang war die Leitung hohl und still, doch dann antwortete Gillespie.
»Wir rufen in fünf Minuten wieder an.«
»In Ordnung.«
Fünf Minuten später meldete sich Gillespie im Flugzeug und nannte Cruz eine zehnstellige Zahl.
»Sonst noch was?«
»Im Augenblick nicht.«
Im Anschluß an dieses Gespräch rief Cruz die Auskunft in Los Angeles an, und zwei Minuten später sprach er mit dem für internationalen Verkehr zuständigen Manager des Luftfrachtunternehmens. Es dauerte ein paar weitere Minuten, bis er den Leiter der Abteilung für Luftfracht bekam.
»Sam Harmon«, sagte der Mann. »Machen Sie’s kurz.«
Cruz lächelte. Die Redeweise seines Gesprächspartners erinnerte ihn ans Militär. Wahrscheinlich war er erst kürzlich in Pension gegangen und hatte sich noch nicht an die Tatsache gewöhnt, dass ungehorsame Mitbürger nicht mehr vorm Kriegsgericht landeten.
»Harmon? Ich kannte einen Harmon bei der Luftwaffe«, sagte Cruz. »Er war Frachtmeister bei Transportflugzeugen.«
»Ich war Marineoffizier«, sagte Harmon knapp. »Dreißig Jahre und vier Monate.«
»Bei einer Kampftruppe?«
»Logistik. Wie, in aller Welt, glauben Sie wohl, dass ich einen Job wie diesen hier bekommen habe?«
Cruz lächelte innerlich. Ein pensionierter Marineversorgungsoffizier. Falls irgendwer das System verstand, dann er.
»Ich habe ein logistisches Problem«, sagte Cruz. »Und Sie sind wahrscheinlich der einzige Mensch auf der Welt, der mir helfen kann.«
»Schießen Sie los.«
Jetzt hab ich dich, dachte Cruz triumphierend. Wollte man die ungeteilte Aufmerksamkeit eines Rentners, musste man ihm nur das Gefühl geben, wichtig zu sein.
»Ich habe einen Klienten, der ein Paket verloren hat«, sagte Cruz in möglichst beiläufigem Ton. »Man sagte mir, Sie hätten ein Computerprogramm oder so, mit dessen Hilfe man so etwas zurückverfolgen kann.«
Cruz vermied es bewußt zu erwähnen, was in dem Paket gewesen war. Er wollte Harmon nicht in Panik versetzen, solange es nicht unbedingt erforderlich war.
»Wir haben Computer, Strichcodescanner, Landekurssender und Monitore für die globale Positionierung«, sagte Harmon. »Ich kann also jedes Paket an jeder Stelle unseres Programms überall auf der Welt ausfindig machen. Wenn es sich in einem Lagerhaus oder einem Flugzeug befindet, kann ich Ihnen das sagen. Wenn es auf einem LKW ist, kann ich Sie mit dem für die Auslieferung zuständigen Fahrer verbinden. Wir sind hier vollständig vernetzt.«
Jeder Mensch glaubte an irgend etwas. Sam Harmon glaubte an sein Programm.
»Großartig«, rief Cruz begeistert. »Wo fangen wir an?«
»Haben Sie die Frachtbriefnummer?«
Cruz las die Nummer vor und hörte das hohle Klicken eines Computerkeyboards. Er hielt den Atem an und überlegte, wie viele Informationen es wohl über diese Lieferung gab.
»Nichts.«
»Was soll das heißen?«
»Fehlschuß. Die Nummer gibt es nicht in unserem System.«
Cruz dachte einen Augenblick nach. Nowikow würde ihn keinesfalls in einer Sache belügen, die sich so leicht überprüfen ließ.
»Es muss sie geben«, sagte er.
»Nicht bei uns. Es sei denn, sie wäre Bestandteil einer größeren Lieferung.«
»Das war sie.«
»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
Wieder drang das hohle Klicken der Computertasten durchs Telephon.
»Da haben wir sie ja«, sagte Harmon. »Sie gehörte zu dem Kunstkram, der gestern mit dem Sieben-Vier-Sieben-Flug aus Tokio kam.«
»Genau.«
»Leck - eh, verdammt, sagen Sie bloß nicht, dass wir eins von den Paketen verloren haben.«
»Das versuche ich ja gerade herauszufinden«, sagte Cruz.
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