Schimmernder Rubin
sich erschöpfter als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt, seit er die Behandlung in Rumänien begonnen hatte.
»Nutzen Sie doch die Zeit, um sich ein wenig auszuruhen und sich Ihre Rede noch einmal anzusehen«, lockte Nowikow. »Die Ausstellungsstücke werden alle rechtzeitig zur Vorbesichtigung am Mittwoch an ihren Plätzen sein.«
Hudson sah in des Russen seltsam helle Augen und hatte das Gefühl, als weiche der Rest der Welt von ihm. Die sanfte Tenorstimme war das reinste Streicheln. Einen Augenblick lang überlegte er, wie es wohl wäre, mit einem Mann zu schlafen.
Falls Nowikow ein Mann war. Instinktiv bezweifelte er es. Kein Mann war so schön, so... verführerisch. Auf jeden Fall kein Mann, dem Hudson je begegnet war.
Mit einem Madonnenlächeln legte Nowikow die Hand auf Hudsons Arm.
»Wenn Sie wollen«, sagte er, »assistiere ich Ihnen, die Journalisten herumzuführen. Ich kann ihnen einige Stücke zeigen, die vom künstlerischen Standpunkt her das rote Ei weit übertreffen.«
Hudson atmete tief ein, wobei ihm Alexej Nowikows schwacher, exotischer Duft in die Nase stieg. Er schüttelte den Kopf und schwor sich stumm, nie wieder Wodka zu trinken, egal, wie gestreßt er war. Er vertrug ihn einfach nicht mehr. Der Alkohol unterminierte seinen Sinn für die Realität.
Genau wie Claire Toth.
Er fluchte lautlos und versuchte, den Rest seiner sich verflüchtigenden Konzentration zusammenzuhalten.
»Ich habe enorme Summen in diese Ausstellung investiert«, sagte er.
»Genau wie Rußland, mein Freund«, versicherte ihm Nowikow. »Die Ausstellung ist wichtig für den Wiederaufbau guter Beziehungen zwischen Völkern, die allzu lange durch eine beklagenswerte Ideologie getrennt waren. Stimmt’s nicht, Gapan?«
Gapan blickte zwischen Nowikow und Hudson hin und her und erwiderte etwas auf russisch. Hudson wußte nicht, was die Worte bedeuteten, aber er bezweifelte, dass es sich um Schmeicheleien handelte. Gapan kam ihm wie ein Mann vor, der sich weder Gott noch Lenin jemals beugen würde, und noch viel weniger einem Kapitalisten wie ihm.
»Ah, Gapan«, sagte Nowikow und schüttelte den Kopf. »Das neue Rußland braucht Freunde, wenn es überleben will. Darum durftest du mit auf diese Goodwill-Tour. Freunde kann man nicht kaufen. Man muss sie gewinnen.«
Gapan sah ihn gelangweilt an.
»Ignorieren Sie ihn einfach«, Nowikow schüttelte sich wie eine Jungfrau. »Er ist ein - wie heißt es, ein Überrest - aus der alten Zeit.«
»Ein Überbleibsel«, sagte Hudson.
»Genau das meine ich.«
Nowikow drückte »gewinnend« Hudsons Arm.
»Sie sollten sich ausruhen, mein Freund«, murmelte er. »Wir brauchen Sie in Ihrer gewohnten Stärke. Diese Ausstellung ist Rußlands Geschenk an den Rest der Welt, ein Signal unseres Wunsches, mit allen anderen Völkern in Harmonie zu leben.«
»Und dabei Geld zu verdienen«, ergänzte Hudson säuerlich.
»Aber natürlich.« Nowikow lächelte. »Gerade Sie haben doch sicher Verständnis für unsere finanziellen Schwierigkeiten. Ein paar hunderttausend Dollar sind übrigens kein allzu großes Opfer für einen Mann, der so reich ist wie Sie, nicht wahr?«
»Ihre Regierung knöpft mir drei Millionen ab für das Privileg, diese Ausstellung auszurichten, und das wissen Sie ganz genau.«
»Trotzdem.« Nowikow zuckte elegant mit den Schultern. »Nicht übertrieben viel, nicht wahr? Schließlich sind Sie ein Multi.«
»Hat die russische Habgier eigentlich mit ihren sozialistischen Idealen ihre Grenzen über Bord geworfen?« wollte Hudson wissen.
Nowikow musterte Hudson mit leicht schräggelegtem Kopf.
»Wenn Sie das Gefühl haben, dass der Preis für die Ausstellung zu hoch war, wenden Sie sich am besten an den zuständigen Minister«, sagte er. »Ihre Freundschaft wird von ihm hoch geschätzt.«
»Nicht möglich!« Hudson starrte Nowikow wütend an. »Warum dann dieses falsche Spiel?«
»Bitte, was ist ein falsches Spiel?«
Schweigen erstreckte sich zwischen ihnen, bis das Murmeln der Arbeiter im Hintergrund dagegen laut erschien.
»Ich weiß nicht, ob Sie Teil dieses Erpressungsplanes sind oder nicht«, knirschte Hudson schließlich. »Wenn ich zu einer Entscheidung komme, werden Sie es als erster erfahren. Bis dahin holen Sie mir dieses Ei zurück.«
Mit diesen Worten ließ Hudson den Kurator stehen.
Nowikow sah ihm nach, wie er den blankpolierten Marmorkorridor hinunterstelzte und dann durch die bogenförmigen zehn Meter hohen Ebenholztüren in sein Allerheiligstes
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