Schindlers Liste
Gift wurde vier russischen Gefangenen verabreicht, die prompt starben.
Das war der Beweis gegen Koch und den Lagerarzt, den der Untersuchungsrichter brauchte. Beide wurden wegen Mordes angeklagt, aber es war schon eine sonderbare Rechtspflege, die da stattfand, und vor allem hatte sie zur Folge, daß das Lagerpersonal überall die Reihen dicht schloß und lebende Belastungszeugen beseitigte. Also fragte man Helene Hirsch nicht nach ihren Verletzungen, hielt sich strikt an die Korruptionsfälle und ließ sie in Ruhe.
Auch Pemper wurde vernommen. Der war klug genug, so wenig wie möglich zu sagen, auch wußte er nicht viel von Göths Geschäften. Er spielte den korrekten Hilfsschreiber. »Über solche Dinge hat der Herr Kommandant sich nie in meiner Gegenwart geäußert«, war seine stehende Antwort. Tatsächlich dürfte er aufs höchste verblüfft gewesen sein. Und wenn es für ihn überhaupt eine Chance gab, mit dem Leben davonzukommen, so war die
Hauptvoraussetzung durch Göths Verhaftung erfüllt. Denn er wußte genau, wann es mit ihm vorbei sein würde: sobald die Russen Tarnow erreichten, würde Göth seinen letzten Bericht diktieren und ihn erschießen. Nun ängstigte ihn am meisten die Möglichkeit, daß Göth zu früh freigelassen wurde.
Aber es ging leider nicht nur um Göths Schwarzmarktgeschäfte.
Der SS-Richter, der Pemper vernahm, wußte von Oberscharführer Lorenz Landsdorf er, daß der Kommandant von seinem jüdischen Schreiber die Direktiven und Aktionspläne hatte tippen lassen, die im Falle eines Partisanenangriffs auf das Lager in Kraft treten sollten. Um ihm zu zeigen, nach welchem Schema diese Pläne zu tippen seien, habe Göth ihm sogar Kopien von Plänen gezeigt, die für andere Konzentrationslager ausgearbeitet worden waren. Der Untersuchungsrichter ließ Pemper verhaften, denn er war äußerst beunruhigt darüber, daß diese geheimen Pläne einem jüdischen Häftling zur Kenntnis gekommen waren.
So verbrachte Pemper denn zwei scheußliche Wochen in einer Zelle im Keller der SS-Unterkunft.
Er wurde nicht geschlagen, aber immer wieder von zwei SS Untersuchungsrichtern und Beamten des RKPA verhört. Er nahm an, sie neigten zu der Auffassung, es sei das sicherste, ihn zu erschießen.
Als man ihn wieder einmal über die Krisenplanung für Plaszow befragte, sagte er: »Warum muß ich in der Zelle sitzen? Ich bin ohnehin zu lebenslanger Haft verurteilt und lebe in einem Gefängnis.« Damit wollte er erreichen, daß man ihn entweder in die Baracke schickte oder erschoß.
Am Ende ließ man ihn in seine Baracke zurück. Allerdings war es nicht das letzte Mal, daß er im Zusammenhang mit Hauptsturmführer Göth vernommen wurde.
Dessen Untergebene beeilten sich nicht besonders, ihm ein gutes Leumundszeugnis auszustellen. Man wartete lieber ab. Bosch, der ja so manche Flasche mit Göth geleert hatte, warnte Untersturmführer John davor, den Versuch zu machen, die Untersuchungsrichter zu bestechen.
Göths ehemaliger Vorgesetzter, Oberführer Scherner, war zur Partisanenbekämpfung abkommmandiert worden und geriet am Ende in einen Hinterhalt im Walde von Niepolomice. Göth war in den Händen von Bürokraten aus Oranienburg, die nie bei ihm zu Gast gewesen und falls doch, entweder abgestoßen oder von Neid erfüllt waren.
Helene Hirsch, die der neue Lagerkommandant Hauptsturmführer Büscher übernommen hatte, erhielt eines Tages von Göth einen freundlichen Brief, in dem er sie bat, ihm Kleider, Bücher und Schnaps zu schicken. Der Brief, so fand sie, klang wie der eines Verwandten, mit dem man sich gut steht. »Würdest du mir freundlicherweise die folgenden Sachen schicken…
In der Hoffnung, dich bald wiederzusehen…«
Schindler war unterdessen in Troppau bei dem Ingenieur Süßmuth. Vorsichtshalber hatte er Schnaps und Diamanten mitgenommen, doch erwies sich das in diesem ‘Fall als überflüssig.
Süßmuth hatte seinerseits bereits angeregt, kleine Lager für jüdische Arbeitskräfte entlang der mährischen Grenze einzurichten und dort Rüstungsgüter produzieren zu lassen. Die Lager würden selbstverständlich dem Hauptlager Groß-Rosen unterstehen oder auch Auschwitz, denn die Zuständigkeitsbereiche beider erstreckten sich über die alte Grenze zur Tschechoslowakei. Aber in kleinen Lagern seien die Häftlinge weniger gefährdet als in den großen Vernichtungslagern wie Auschwitz. Nur sei er mit seinen Vorschlägen nicht durchgedrungen, in Freiberg habe man sie einfach nicht zur
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