Schindlers Liste
brachte er Schindler ein Dutzend Seidenhemden in die Wohnung.
Anwesend war außer Schindler eine hübsche Deutsche, die Pfefferberg als Treuhänderin einer Eisenwarenhandlung vorgestellt wurde. Tage später erblickte Pfefferberg Schindler in Begleitung einer großäugigen blonden polnischen Schönheit. Falls es wirklich eine Frau Schindler geben sollte, trat sie jedenfalls nicht in Erscheinung, auch nicht, nachdem Frau Pfefferberg die Wohnung neu eingerichtet hatte. Pfefferberg selber übernahm fortan für Schindler den Einkauf von Luxusgütern - Seiden, Möbel, Schmuck -, die in der alten Stadt Krakau in Mengen auf den Markt kamen.
Kapitel 4
Stern sah Schindler erst eines Vormittags Anfang Dezember wieder. Der Antrag auf Pacht und Vorkaufsrecht lag bereits dem Handelsgericht Krakau vor, aber Schindler fand Zeit, bei Buchheister hereinzusehen und nach einem Gespräch mit Aue in der Buchhaltung neben dem Schreibtisch von Stern stehend, laut und mit einer schon etwas alkoholisiert klingenden Stimme zu verkünden: »Morgen geht es los. Zuerst kommen die Jozefa-und die Izaakastraße dran.«
Tatsächlich gab es in Kazimierz wie in jedem Getto eine Jozefa-und eine Izaakastraße.
Kazimierz war das ehemalige Getto von Krakau, eine Insel in der Weichselkrümmung, von Kazimier dem Großen den Juden gnädigst überlassen.
Schindler beugte sich über Stern, so daß Stern seinen vom Cognac warmen Atem roch; der fragte sich: Weiß Schindler, daß in der Jozefa-und der Izaakastraße etwas passieren soll, oder schmeißt er nur mit den Namen um sich? Wie auch immer, Stern fühlte sich maßlos enttäuscht; Schindler drohte offenbar mit einem Pogrom, machte Andeutungen, ließ Stern merken, wo sein Platz war.
Man schrieb den 3. Dezember, und Stern glaubte nicht, daß Schindler, als er »morgen« sagte, den 4. Dezember meinte, sondern wie Trinker und Propheten die nahe Zukunft. Nur wenige, die Schindlers Ankündigung hörten oder auch davon hörten, nahmen sie wörtlich, packten ihre Koffer und gingen mit ihren Angehörigen über die Weichsel nach Podgorze.
Schindler selbst meinte, er habe unter beträchtlicher Gefahr für sich selber eine wertvolle Information geliefert. Die kam aus zwei Quellen, von neuen Freunden, von Wachtmeister Hermann Toffel beim Stab des SS-Befehlshabers, und von Dieter Reeder vom Stab des SD-Chefs Czurda. Es war bezeichnend für Schindler, daß er in solchen Kreisen Leute aufzuspüren verstand, die mit seinen Ansichten sympathisierten.
Als Erklärung für seine damalige Handlungsweise gab er an, die Zwangsenteignung und Umsiedlung von Tschechen und Juden nach dem deutschen Einmarsch ins Sudetenland hätten ihn von jeder Neigung für die Neue Ordnung kuriert. Daß er Stern warnte, ist ein überzeugenderer Beweis dafür als die unbestätigte Nußbaum-Geschichte.
Er dürfte übrigens, ebenso wie die Krakauer Juden, noch gehofft haben, daß das Regime nach anfänglichen Greueln erträglicher vorgehen und den Leuten Luft zum Atmen lassen würde.
Konnte man mittels Vorwarnungen den in den kommenden Monaten zu erwartenden Aktionen der SS gleichsam die Spitze abbrechen, mochte sich im Frühjahr die Vernunft durchsetzen. Schließlich waren die Deutschen, wie Schindler und auch die Juden sich einredeten, ein zivilisiertes Volk.
Der Überfall der SS auf Kazimierz sollte indessen in Schindler einen elementaren Abscheu hervorrufen. Noch wurde dieser Abscheu nicht bestimmend für sein Geschäftsgebaren, auch nicht für seine gesellschaftlichen Amüsements, doch je klarer ihm wurde, was die herrschenden Mächte beabsichtigten, desto stärker ergriff dieser Abscheu von ihm Besitz, leitete, gefährdete ihn, trieb ihn an. Die jetzt bevorstehende Aktion sollte Schmuck und Pelzen gelten. In den besseren Wohnvierteln zwischen Krakau und Kazimierz würde man Juden aus Wohnungen und Villen treiben, und im übrigen war das Ganze als Warnung für die verschüchterten Bewohner des alten Judenviertels gedacht. Zu diesem Zwecke, so erfuhr Schindler von Reeder, sollte eine kleine Abteilung der Einsatzgruppen zusammen mit der örtlichen SS und der Feldpolizei nach Kazimierz fahren.
Mit der vordringenden Wehrmacht kamen sechs Einsatzgruppen nach Polen, hervorgegangen aus Heydrichs SD. Ihre Befugnisse waren umfassend. Ihr Kommandeur hatte General Keitel sechs Wochen zuvor wissen lassen: »Im Generalgouverment wird ein erbarmungsloser Kampf um die Existenz unseres Volkes geführt werden, ohne legale Skrupel.« Kampf um die Existenz
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