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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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ermordet werden.
    Derzeit wurden Krematorien gebaut, um zu verhindern, daß das Tempo der Tötungen durch altmodische Methoden der Leichenbeseitigung verlangsamt werden könnte. Die Firma, die in Belzec die Gaskammern gebaut hatte, hatte auch in Sobibor und im Bezirk Lublin solche Anlagen errichtet. Der Bau einer ähnlichen Anlage war für Treblinka bei Warschau ins Auge gefaßt. Größere Anlagen waren in den Lagern Auschwitz I und Auschwitz II, also in dem etliche Kilometer entfernt gelegenen Birkenau in Betrieb. Aus Widerstandskreisen verlautete, daß in Auschwitz II bis zu 10 000 Menschen pro Tag ermordet werden konnten. Für den Bereich Lodz gab es im Lager Chelmno ebenfalls eine moderne Tötungsanlage.
    Heute liest man das als geschichtliche Tatsachen, doch die Entdeckung gleichsam aus heiterem Junihimmel bedeutete 1942. einen Schock, der einem wahrlich den Sinn verwirren konnte. Daß Menschen so etwas ausdenken und in die Tat umsetzen konnten, war für den Verstand nicht zu fassen. In jenem Sommer machten sich unzählige Menschen, darunter Schindler und die Bewohner des Krakauer Gettos, mühsam und unter furchtbaren Qualen mit dem Gedanken vertraut, daß derartiges in Belzec und anderswo in der Abgeschiedenheit der polnischen Wälder tatsächlich geschah.
    Schindler regelte nun endgültig die Übernahme der in Konkurs gegangenen Rekord- Werke vor dem polnischen Handelsgericht. Es fand eine Pro-forma-Versteigerung statt, bei der er Eigentümer wurde. Ihm lag daran, ordnungsgemäß als Eigentümer eingetragen zu sein, weil er nicht glaubte, daß die Deutschen den Krieg gewinnen könnten, auch wenn ihre Armeen derzeit den Don überschritten und auf dem Weg zum Kaukasus waren. Er hoffte, daß seine Rechtsansprüche auch den Sturz jenes furchtbaren Menschen in Berlin überleben, daß er auch in einer neuen Ära weiterhin als der erfolgreiche Sohn des alten Schindler aus Zwittau prosperieren werde. Dies war naiv und wurde auch nicht Wirklichkeit.
    Der Kistenfabrikant drängte ihn immer wieder, auf dem unbebauten Gelände eine Baracke zu errichten, einen Zufluchtsort. Schindler besorgte sich die Genehmigung für die Errichtung eines Ruheraumes für die Arbeiter seiner Nachtschicht. Das Holz stellte Jereth zur Verfügung.
    Im August war der Bau beendet; er war unscheinbar, primitiv und nicht gerade wetterfest. Das grüne Kistenholz sah aus, als werde es sich werfen und könne niemals einem winterlichen Schneetreiben standhalten. Während einer Aktion im Oktober fanden darin aber das Ehepaar Jereth, die Kistenmacher, die Arbeiter der Heizkörperfabrik und Schindlers Nachtschicht Schutz.
    Jener Schindler, der am Morgen einer Aktion im Getto aus dem Büro kommt, mit dem SS-Mann, den Ukrainern oder den Leuten vom Ordnungsdienst spricht, die aus Podgorze gekommen sind, um die Arbeiter seiner Nachtschicht abzuholen, jener Schindler, der beim Frühstück Wachtmeister Bosko anruft und unter einem Vorwand behauptet, seine Nachtschicht müsse heute im Betrieb bleiben, dieser Schindler beachtet nicht mehr die Grenzen, die einem vorsichtigen Geschäftsmann gezogen sind, er exponiert sich auf gefährliche Weise. Seine einflußreichen Bekannten, die ihn schon zweimal aus der Haft befreit haben, werden das nicht beliebig oft wiederholen, auch wenn er ihnen großzügige Geschenke macht.
    In diesem Jahr finden sich einflußreiche Leute selber in Auschwitz wieder, und wenn sie dort zugrunde gehen, bekommen ihre Angehörigen ein Telegramm der Lagerleitung:
    IHR EHEMANN IST IM KZ AUSCHWITZ GESTORBEN.
    Bosko war ein schlaksiger Volksdeutscher aus der Tschechoslowakei. Er kam aus einem Elternhaus, das, wie das von Schindler, die alten deutschen Werte hochhielt. Der Aufstieg Hitlers hatte ihn eine Weile mit großdeutschen Hochgefühlen erfüllt, und in Wien, wo er Theologie studierte, war er der SS beigetreten. Er bereute seinen damaligen Eifer mehr, als Schindler ahnte, und tat Buße. Schindler wußte damals weiter nichts, als daß Bosko mit Wonne jede Aktion sabotierte, soweit ihm das möglich war.
    Er war für den Außenbereich des Gettos verantwortlich und zwang sich, alles mit anzusehen, was innerhalb der Mauern vorging, denn auch er verstand sich wie Schindler als künftiger Zeuge. Schindler wußte nicht, daß Bosko während der Aktion im Oktober Dutzende von Kindern in Pappkartons aus dem Getto geschmuggelt hatte, auch nicht, daß der Wachtmeister Angehörigen des jüdischen Widerstandes (ZOB) Passierscheine ausstellte. Es waren dies

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