Schindlers Liste
hauptsächlich junge Leute, Mitglieder der Akiva, eines Vereins, der sich nach dem legendären Rabbi Akiva ben Joseph nannte; geleitet wurde der ZOB von dem Ehepaar Dranger — das Tagebuch von Gusta Dranger ist ein klassisches Werk über den Widerstand geworden - und von Dolek Liebeskind. Mitglieder des ZOB brauchten Passierscheine für das Getto, um jederzeit mit Geld, falschen Papieren, Flugblättern der Widerstandsbewegung und zwecks Anwerbung neuer Mitglieder das Getto betreten und verlassen zu können. Es bestanden Kontakte zur linksgerichteten polnischen Volksarmee in den Wäldern um Krakau, die ebenfalls Dokumente brauchte, die Bosko verschaffen konnte.
Das reichte selbstverständlich aus für ein Todesurteil gegen Bosko, und doch war ihm das alles noch nicht genug, er verachtete sich dafür, daß er nur in einzelnen Fällen helfen konnte, er wollte alle retten, er versuchte es auch, und das kostete ihn sein Leben.
Danka Dresner, die Kusine von Rotkäppchen, war schon vierzehn und verfügte nicht mehr über den sicheren Instinkt, der die Kleine bislang gerettet hatte. Danka hatte zwar Arbeit als Putzfrau in einer Luftwaffenunterkunft, doch das schützte sie in jenem Herbst nicht mehr davor, auf Transport geschickt zu werden.
Als ein SS-Sonderkommando und Abteilungen des SD wieder einmal in die Lwowskastraße kamen, nahm ihre Mutter Danka mit zu einer Nachbarin in der Dabrowskistraße, in deren Haus es eine falsche Mauer gab. Die Nachbarin war Ende Dreißig und als Küchenhilfe in der SS-Kantine unweit des Wawel beschäftigt, konnte also auf Vorzugsbehandlung hoffen. Aber ihre Eltern lebten bei ihr, und für die hatte sie die falsche Wand hochmauern lassen, ein kostspieliges Unternehmen, denn jeder Ziegelstein mußte unter Lumpen, Feuerholz oder Desinfektionsmitteln verborgen ins Getto geschmuggelt werden. Das gemauerte Versteck mochte sie 5000, auch 10 000 Zloty gekostet haben.
Zu Frau Dresner hatte sie gesagt, es sei genügend Platz für zwei weitere Personen darin, und im Notfall möge sie mit Danka kommen. Deshalb hasteten die beiden Frauen dorthin, als sie das Gebell der Hunde und das durch die Megaphone verstärkte Gebrüll der SS-Leute hörten.
Die Nachbarin war allerdings so nervös, daß sie gleich sagte: »Danka kann ins Versteck, aber Sie nicht, Frau Dresner, es ist zu eng.« Danka starrte fasziniert auf die Wand, hinter der die Eltern verborgen waren.
Frau Dresner suchte die andere zu überzeugen, daß sie sehr wohl noch in dieses Versteck passen würde, doch Schüsse, die jetzt in der Nähe fielen, brachten diese um den Rest ihrer Fassung, und sie schrie: »Danka ja, Sie nicht! Gehen Sie!«
Frau Dresner verließ die Wohnung, die Nachbarin ging mit Danka auf den Boden, zog einen Teppich weg und hob einige Dielen an. Danka ließ sich in das Versteck hinunter zu den beiden alten Leutchen, die ihr bedeuteten, sie könne sich auf den Boden kauern. Sie fühlte sich hier überraschend sicher; aus der Wohnung war nichts zu hören. Sie begann, um ihre Mutter zu fürchten.
Diese hatte das Haus noch nicht verlassen. Die SS war bereits in der Dabrowskistraße und würde Frau Dresner mit Sicherheit im Hausflur finden, falls sie hier bliebe. Warum gehe ich eigentlich nicht auf die Straße? fragte sie sich. Es war so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz, daß die Gettobewohner zitternd in ihren Zimmern warteten, bis man sie hinaustrieb.
Jetzt erschien eine Gestalt mit der Mütze des ÖD im Hausflur. Sie erkannte den jungen Mann, der mit ihrem Sohn befreundet war, und er sie ebenfalls. Ob ihr das nützen würde, war fraglich. Der junge Mann kam näher.»Pani Dresner«, sagte er, »verstecken Sie sich da unter der Treppe. In zehn Minuten ist alles vorbei.«
Sie gehorchte benommen, kauerte sich unter die Treppe, wußte aber schon, daß dies nichts nützen würde. Das Licht aus dem Hinterhof fiel genau dorthin, wo sie hockte. Sie richtete sich auf. Der Mann vom ÖD bedeutete ihr noch einmal, an Ort und Stelle zu bleiben, dann verschwand er.
Nebenan war, dem Lärm nach zu urteilen, die Suche schon im Gange. Gleich darauf hörte sie Schritte im Treppenhaus, hörte den jungen Mann auf deutsch sagen, er habe unten schon nachgesehen, da sei niemand. Oben allerdings wohnten Leute. Nichts ließ darauf schließen, daß er sein Leben riskierte, offenbar auf die geringe Chance hin, daß die Polizisten, nachdem sie bereits die Lwowskastraße durchgekämmt hatten, nicht mehr so eifrig suchen, sich auf seine Auskunft
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