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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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Unterführer namens Albert Hujer die Aufsicht hatte, der demnächst befördert werden sollte. Hujer machte Meldung. Ein Teil der Fundamente habe sich gesenkt. Göth fiel eine junge Frau auf, die um das halbfertige Bauwerk ging und hier und dort mit Arbeitern redete. Wer das sei? fragte er Hujer. Eine Gefangene namens Diana Reiter, eine Architektin, die ihm zugeteilt worden sei. Sie behaupte, die Fundamente seien nicht ordnungsgemäß ausgehoben worden, und verlange, daß Steine und Zement entfernt und die Arbeit an diesem Teil des Baus noch einmal gemacht werden müsse. Göth sah Hujer an, daß er mit dieser Frau gestritten hatte, und er verzog den Mund. »Wir streiten nicht mit denen, Hujer«, sagte er. »Lassen Sie sie herkommen.«
    In der Art, wie sie sich ihm näherte, erkannte er noch etwas von der Eleganz, zu der ihre bürgerlichen Eltern sie erzogen hatten. Vermutlich war sie zum Studium nach Wien oder Mailand geschickt worden, weil die polnischen Universitäten sie ablehnten.
    Die akademische Ausbildung sollte ihr die gewünschte Tarnfarbe verschaffen. Sie näherte sich, als wäre sie gleichrangig mit ihm, erhaben über tölpelhafte Unteroffiziere und die Pfuscharbeit eines SS-Ingenieurs, der die Aushebung der Fundamente beaufsichtigt hatte. Sie ahnte nicht, daß Göth niemand so sehr haßte wie Juden ihres Typs, die meinten, man sehe es ihnen nicht mehr an, obwohl er doch hier in Uniform vor ihr stand und sie an einer Unterkunft für die SS arbeiten mußte. »Du hast mit Oberscharführer Hujer gestritten«, stellte er fest. Sie nickte nachdrücklich. Dieses Nicken besagte: Sie als Kommandant sind intelligent genug zu begreifen, was der Idiot Hujer nicht kapiert. »Hier muß das gesamte Fundament aufgegraben werden«, sagte sie in bestimmtem Ton. Göth wußte selbstverständlich, daß die Juden darauf aus waren, jede Arbeit in die Länge zu ziehen, denn die dabei Beschäftigten waren ihres Lebens sicher, solange ein Projekt nicht beendet war. »Wenn Sie das nicht machen lassen, wird sich das Mauerwerk senken, es kann zum Einsturz kommen.«
    Sie fuhr in ihren Erklärungen fort, und Göth nickte zu allem, fest davon überzeugt, daß sie log. Regel Nummer eins: Glaube nie einem jüdischen Fachmann. Jüdische Spezialisten ähneln Marx, der den Staat zerstören wollte, und Freud, der die Mentalität der Arier in den Dreck zog. Diese argumentierende Jüdin empfand er als persönliche Bedrohung. Er rief Hujer. Hujer kam ungern, glaubte er doch, ihm würde befohlen, zu tun, was diese Frau da riet. Und die glaubte das auch. »Erschießen«, sagte Göth zu Hujer. Hujer mußte das erst verdauen.
    »Erschießen!« wiederholte Göth.
    Hujer ergriff die Frau, um sie an eine abgelegene Stelle zu führen.
    »Hier!» befahl Göth. »Jetzt, sofort.«
    Hujer verstand sich darauf. Er packte sie am Oberarm, stieß sie vor sich, setzte ihr die Pistole ins Genick und drückte ab.
    Der dumpfe Knall entsetzte alle Anwesenden außer den Henkern und ihrem Opfer. Göth fühlte sich im Gegenteil beschwingt. Daß dies eine krankhafte Reaktion war, hätte er nicht geglaubt. Er meinte, so fühle man sich nun mal nach einer rechtschaffenen Tat. Immerhin verlor sich dieses Gefühl im Lauf des Tages, und am Abend mußte er, um sich überhaupt zu spüren, viel essen und trinken und eine Frau haben.
    Davon abgesehen hatte die Ermordung der Diana Reiter mit ihrem akademischen Grad einen praktischen Nutzen: Keiner, der in Plaszow an Bauarbeiten beteiligt war, durfte sich hinfort für unentbehrlich halten; wenn nicht einmal Diana Reiter mit ihrem professionellen Wissen verschont worden war, konnten andere sich nur durch prompte und unauffällige Ausführung ihrer Arbeit retten. Daher arbeiteten die Frauen, die Barackenteile vom Bahnhof schleppten, die Steinbrucharbeiter und die Männer, die die Barakken zusammensetzten, mit einer Energie, die genau dem entsprach, was sie aus der Ermordung von Diana Reiter gelernt hatten.
    Was Hujer und seine Kameraden angeht, so wußten die nun, daß willkürliche Erschießungen künftig in Plaszow zum Stil des neuen Regimes gehören sollten.
    Kapitel 20
    Zwei Tage nach dem Besuch der Unternehmer in Plaszow erschien Schindler mit einer Flasche Cognac als Mitbringsel bei Göth in dessen vorläufigem Büro in der Stadt. Er wußte unterdessen von dem Mord an Diana Reiter, und das bestärkte ihn nur noch in dem Entschluß, seinen Betrieb nicht nach Plaszow zu verlegen.
    Die beiden athletisch gebauten Männer saßen

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