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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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wissen alle, was sie erwartet, und es hat auch keinen Sinn, die Nachtschicht hierzubehalten, denn wenn das Getto aufgelöst ist, wird kein anderes mehr eingerichtet. Ich kann ihnen bloß raten, sich bei der Aktion nicht zu verstecken, es sei denn, sie haben ein wirklich gutes Versteck. Ich habe gehört, daß das Getto anschließend gründlich durchgekämmt werden soll, da bleibt nichts unentdeckt.«
    Es trat also der sonderbare Fall ein, daß Stern, der ja von diesen Maßnahmen betroffen war, Schindler, der es nicht war, Mut zusprach. Schindler sah jetzt nicht mehr nur das Schicksal seiner eigenen Arbeiter, sondern die Tragödie, die sich mit der Räumung des Gettos anbahnte.
    Stern wies darauf hin, daß Plaszow ein Arbeitslager sei, und in solchen Lagern könne man überleben. Es war nicht Belzec, wo man Menschen wie am Fließband ermordete. Gewiß, auch Plaszow würde schlimm werden, aber es sei eben doch nicht das Ende der Welt. Schindler antwortete ihm bloß, daß er sich damit nicht abfinden könne. »Aber Sie müssen, etwas anderes gibt es nicht.« Und Stern bot seine ganze Überredungskunst auf, denn er hatte Angst.
    Verlor Schindler die Hoffnung, verloren die Juden ihre Arbeit in der DEF, denn dann wäre es nur natürlich, daß Schindler sich aus diesem ganzen schmutzigen Geschäft zurückzöge. »Wir können später bestimmt mehr unternehmen«, behauptete er, »jetzt ist es noch zu früh.«
    Schindler lehnte sich zurück. »Sie wissen, Göth ist ein Wahnsinniger«, sagte er. »Er sieht nicht so aus, aber er ist es.«Göth traf am 13. März, einem Sabbat, dem letzten Tag des Bestehens des Gettos kurz vor Sonnenaufgang auf dem Friedensplatz ein. Er sah, daß sein Sonderkommando bereits da war. Die Männer standen in der kleinen Grünanlage leise schwatzend und rauchend beisammen. Die Gettobewohner ahnten nichts von ihrer Anwesenheit. Die Straßen lagen verlassen, tauender Schnee an den Rändern aufgehäuft.
    Göth nahm einen Schluck Cognac, während er auf den ältlichen Sturmbannführer Willi Haase wartete, der die Aktion beaufsichtigen, wenn auch nicht anführen sollte. Heute war das Getto A dran, westlich vom Friedensplatz, wo die arbeitsfähigen, gesunden Juden wohnten. Im kleineren Getto B am Ostrand lebten die Alten, die Arbeitsunfähigen. Die sollten noch am Abend oder am folgenden Tage drankommen. Ihr Bestimmungsort war das unter Rudolf Höß erweiterte Vernichtungslager Auschwitz.
    Seit sieben Jahrhunderten hatten Juden in Krakau gelebt, am Ende dieses Tages, spätestens am folgenden Tag, würde Krakau judenfrei sein. Das war ein historisches Datum. Die SS-Männer, die an der Aktion teilnahmen, hatten keinerlei Gegenwehr zu befürchten, niemand würde auf sie schießen, schießen würden allein sie selber. Gefährdet war allerdings bei so manchem die Psyche; jeder SS-Offizier kannte Fälle von Selbstmord unter seinen Freunden und Kameraden, und im Unterricht wurden die Mannschaften immer wieder darüber belehrt, daß man in den Juden die gefährlichsten Feinde von allen zu sehen habe, auch wenn sie keine Waffen trügen. Es gelte, unbedingt hart zu bleiben. Und Göth war hart. Er verachtete jene Offiziere, die die Drecksarbeit den Mannschaften und Unteroffizieren überließen und sich selber die Hände nicht schmutzig machten, ja, er hielt das sogar für gefährlich. Er wollte mit gutem Beispiel vorangehen.
    Einen knappen Kilometer entfernt saß Dr. H. zwischen seinen letzten Patienten im dunklen Oberstock des Getto-Hospitals und war froh darüber, daß nichts von dem hier heraufdrang, was auf der Straße vorging. Man wußte, was im Seuchenkrankenhaus unweit des Friedensplatzes geschehen war: Oberscharführer Albert Hujer war mit seinen SS-Leuten erschienen, um das Spital zu räumen.
    Frau Dr. Rosalia Blau sagte, hier seien nur noch Scharlachfälle und die müßten bleiben. Die Patientinnen von Frau Dr. Blau waren Mädchen im Alter zwischen 12 und 16 Jahren. Alle wurden mit Maschinenwaffen niedergemacht, nachdem Hujer als erste die Ärztin erschossen hatte. Anschließend ließ er die Leichen von Gettobewohnern entfernen, die blutigen Laken zusammenlegen, die Wände mit Wasser abspritzen.
    Das Krankenhaus war in einer vormaligen polnischen Polizeiwache untergebracht und seit Eröffnung des Gettos ständig voll belegt gewesen. Direktor war der angesehene Arzt Dr. B.
    Am Morgen des 13. gab es hier nur noch vier Patienten, allesamt nicht transportfähig. Einer war ein junger Arbeiter, der an galoppierender

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