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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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nur dasein, eine Art magischer Vater.
    Ein Paradies, das von einem Freund beherrscht wurde, wäre gefährdet; ein Zufluchtsort konnte nur Bestand haben, wenn jemand mit viel Autorität und umwittert von Geheimnissen dafür verantwortlich war. So wie Lusia dachten damals viele in Emalia.
    Betrachten wir den Fall Regina Perlmann, die mit einem südamerikanischen Paß in Krakau lebte, als Schindler sein Lager bauen ließ. Ihre dunkel getönte Haut paßte zu ihrem Paß, und sie arbeitete als Sekretärin in einer Fabrik in Podgorze. In Warschau, Lodz oder Gdingen wäre sie sicherer gewesen, doch waren ihre Eltern im Lager Plaszow, und dank ihres falschen Passes konnte sie ihnen mit Lebensmitteln, Medikamenten und sonstigen Kleinigkeiten helfen. Aus den Tagen im Getto wußte sie, daß Schindler in der jüdischen Mythologie von Krakau bereits einen festen Platz einnahm; es hieß, er tue alles, was menschenmöglich sei. Sie wußte ebenfalls, was in Plaszow vorging, im Steinbruch, auf dem Balkon des Kommandanten. Sie mußte sich verraten, wenn sie tun wollte, was sie für geboten hielt, aber sie wollte unbedingt ihre Eltern bei Schindler in Sicherheit bringen.
    Der erste Versuch, ihn zu erreichen, scheiterte an ihrem Aussehen. Ein verblaßtes Sommerkleidchen und ihre nackten Beine bewogen den Pförtner, sie gar nicht erst anzumelden. Der Herr Direktor wolle sie nicht empfangen. Der Pförtner hielt sie für ein Fabrikmädchen, und sie hatte Angst vor ihm, die Angst aller mit arischen Papieren ausgestatteten Juden vor bösartigen Polen, die einen sechsten Sinn für Juden besaßen. Sie ging weg mit dem Gefühl, glücklich einer Gefahr entronnen zu sein.
    Aber dann unternahm sie doch einen zweiten Versuch, diesmal sorgfältig vorbereitet: gut gekleidet und geschminkt, selbstverständlich mit Strümpfen vom schwarzen Markt, mit Hütchen und Schleier, gerade so elegant, wie sie vor dem Krieg gewesen war. Der polnische Pförtner erkannte sie nicht wieder, meldete sie, ohne zu zögern an, und Schindler ließ sie vor, ja, er kam ihr auf der Treppe entgegen und begrüßte sie freundlich, diese Senorita Rodriguez.
    Sie merkte gleich, daß er eine besondere Art hatte, mit Frauen umzugehen, achtungsvoll und doch vertraut. Sie wolle ihn unter vier Augen sprechen? Bitte sehr. Er führte sie durchs Vorzimmer, vorbei an seiner Sekretärin, die mit keiner Wimper zuckte. Für die Klonowska konnte diese Besucherin alles mögliche im Schilde führen -Schwarzmarktgeschäfte, Devisentransaktionen, vielleicht war sie gar eine Partisanin. Liebe dürfte an letzter Stelle rangieren, und wenn, dann war das ohne Bedeutung. Sie erhob keinen Anspruch auf Schindler und fühlte sich von ihm auch nicht in Besitz genommen. Schindler bot seiner Besucherin einen Sessel an und nahm am Schreibtisch unter dem großen Führerbild Platz. Ob sie rauchen wolle? Vielleicht einen Pernod? Einen Cognac? Danke, nein, aber er möge sich bitte keinen Zwang auferlegen. Er bediente sich. Was er für sie tun könne? Er merkte, daß es ihr schwer fiel, zu beginnen. Und dann brach es doch aus ihr hervor: »Ich bin keine Südamerikanerin, Herr Schindler, ich bin Jüdin und habe einen falschen südamerikanischen Paß. Meine Eltern sind in Plaszow. Sie behaupten, hier bei Ihnen wären sie sicher, und ich glaube das auch. Ich kann Ihnen nichts anbieten, was ich am Leibe habe, ist geliehen, ich habe mich so zurechtgemacht, um hier hereingelassen zu werden. Wollen Sie bitte meine Eltern herholen?«
    Schindler setzte das Glas ab und stand auf. »Solche Dinge tue ich nicht. Sie schlagen mir da etwas Ungesetzliches vor, Fräulein Perlmann. Ich betreibe hier eine Fabrik, und das einzige Kriterium, nach dem ich Leute bei mir im Lager aufnehme, ist, ob sie über die nötige Qualifikation als Arbeitskräfte verfügen. Lassen Sie mir Ihre Adresse hier, und falls ich jemand mit der Qualifikation Ihrer Eltern brauche, werde ich Sie benachrichtigen.«
    »Aber mein Vater ist Importeur, er ist kein gelernter Metallarbeiter.«
    »Wir beschäftigen auch Büropersonal, aber im wesentlichen Facharbeiter.«
    Sie war wie vor den Kopf geschlagen und schrieb mit Tränen in «den Augen ihren falschen Namen und ihre richtige Adresse auf einen Zettel. Sollte er damit machen, was er wollte. Als sie auf der Straße stand, kam ihr der Gedanke, Schindler könnte sie für eine Provokateurin gehalten haben. Das würde sein Verhalten rechtfertigen. Aber in seinem Auftreten war nicht die Spur von Güte zu erkennen

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