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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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Scheidt oder Neuschel, sie alle verstanden sich darauf, das Äußerste aus ihren Häftlingen herauszuholen, das hatten sie in Plaszow zur Genüge bewiesen. Und in der Emalia entdeckten sie denn auch sofort einen Gefangenen namens Lamus, der in aller Gemütsruhe einen Schubkarren über das Werksgelände schob. Schindler also sagte, Göth habe Anweisung gegeben, Lamus zu erschießen, den Befehl erhielt der Unterführer Grün, einer von Göths Schützlingen, ein ehemaliger Ringkämpfer. Grün nahm Lamus fest, und die anderen setzten die Besichtigung fort. Schindler erfuhr sofort von diesem Vorfall.
    Er rannte die Treppe hinunter und kam gerade dazu, wie Grün sein Opfer an die Wand stellte. Schindler protestierte: »Sie können das hier nicht machen, meine Leute werden demoralisiert, wenn hier Erschießungen vorkommen, und das kann ich bei der augenblicklichen Auftragslage nicht gebrauchen.«
    Usw., usw., das Schindlersche Standardargument, mit dem er auf versteckte Weise zu verstehen gab, daß er Beziehungen nach oben hatte und Grün namentlich melden würde, sollten sich Produktionsausfälle ereignen.
    Grün war nicht dumm. Er wußte, daß die anderen Inspektoren unterdessen in der Werkshalle waren, wo die Pressen jedes Geräusch übertönen mußten, das er hier draußen verursachte oder auch nicht. Und Lamus war ein solches Nichts, daß Göth nicht einmal fragen würde, ob er erschossen worden sei. »Was springt dabei für mich raus?« fragte er.
    »Mögen Sie Wodka?« fragte Schindler seinerseits.
    Grün fand das nicht übel. Lag er während der Aktionen den ganzen Tag hinterm MG und erschoß Hunderte von Juden, bekam er dafür einen halben Liter Wodka. Hier würde er einen ganzen Liter dafür bekommen, daß er überhaupt nichts tat. »Ich sehe nirgendwo eine Flasche«, bemängelte er. Schindler schubste Lamus «bereits von der Wand weg.
    »Verschwinde, Jude!« brüllte Grün. Und Schindler: »Sie können sich nachher die Flasche in meinem Büro abholen.«
    Ahnliches spielte sich ab, als die Gestapo die ganze Familie Wohlfeiler verhaften wollte, nachdem sie in einer Fälscherwerkstatt Papiere entdeckt hatte, die Wohlfeilers zu Ariern machen sollten. Einmal verhaftet, wären sie zum Verhör ins Montelupich-Gefängnis gebracht und von dort nach Chujowa Gorka geschafft worden. Drei Stunden, nachdem sie Schindlers Büro betreten hatten, kamen die beiden Herren von der Gestapo angetrunken die Treppe herunter, wohlwollend gestimmt durch Cognac und vermutlich auch eine angemessene Entschädigung. Die gefälschten Papiere lagen auf Schindlers Schreibtisch, und er beeilte sich, sie zu verbrennen.
    Die nächsten waren die Brüder Danziger, arglose, ungeschickte Juden aus der tiefsten Provinz, die versehentlich eine Maschine demolierten. Schindler war gerade nicht im Betrieb, und irgendwer - ein Spitzel, wie Schindler stets behauptete — denunzierte die beiden wegen Sabotage bei der Lagerverwaltung in Plaszow. Sie wurden sofort abgeholt, und beim Frühappell des nächsten Tages wurde angekündigt, daß die Häftlinge Gelegenheit haben würden, abends der Erhängung von zwei Volksschädlingen beizuwohnen. Die orthodoxen Danzigers waren als Opfer besonders geeignet.
    Nachmittags um drei, nur drei Stunden vor der angesetzten Hinrichtung, kehrte Schindler von seiner Geschäftsreise zurück und fand auf seinem Schreibtisch eine entsprechende Mitteilung vor. Er fuhr sofort hinaus nach Plaszow, wohlversehen mit Cognac und der sehr geschätzten kielbasa, einer Wurst. Zum Glück begegnete er Göth gleich in der Verwaltungsbaracke, brauchte ihn also nicht aus seinem Mittagsschlaf zu reißen. Was er mit Göth ausgehandelt hat, weiß niemand, jedenfalls wurde in dem Büro des Kommandanten, in dessen Wände Ringbolzen eingelassen waren, an denen Häftlinge zwecks Bestrafung oder bei verschärftem Verhör aufgehängt wurden, eine Regelung getroffen, die es Schindler erlaubte, die beiden Delinquenten im Rücksitz seines Automobils mitzunehmen. Ein Schluck Cognac und eine Wurst dürften dafür · wohl kaum gelangt haben.
    Das waren selbstverständlich immer nur Teilsiege. Schindler wußte genau, daß der Tyrann ebenso selbstherrlich begnadigt wie er straft, und der Fall Krautwirt zeigte, daß auch mit Teilsiegen nicht immer zu rechnen war. Krautwirt arbeitete in der Heizkörperfabrik und wohnte in Schindlers Baracke. Krautwirt nannte das Nebenlager Plaszow wie alle anderen Häftlinge auch Schindlers Lager, doch die SS machte deutlich, wem

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