Schindlers Liste
Menschen, die in Belzec schon ermordet worden waren. Spira hatte in Plaszow keinen Einfluß, hier herrschte Chilowicz. Wie der eigentlich diesen Posten ergattert hatte, wußte man nicht; möglich auch, daß er eine Entdeckung von Göth war. Jedenfalls herrschte er jetzt im Lager wie vordem Spira im Getto und hielt sich, beschränkt wie er war, für unersetzlich.
Garde erfuhr von seinem Glück in der Baracke 21 mit den vierstöckigen Pritschen. Seine Prüfungen sollten vorüber sein, sobald er mit Göths Wintergarten fertig war, und Zablocie erschien ihm wie das gelobte Land. Diana Reiter und Grünberg hätten ihm allerdings sagen können, daß im näheren Umgang mit Göth keine festen Regeln galten.
Der Firstbalken für den Wintergarten sollte aufgelegt werden und hing an einem Flaschenzug ein Trumm von einem Stamm. Göth sah sich die Arbeiten an seinem Projekt häufig an, oft begleitet von seinen Hunden Rolf und Alf, die auf den Mann dressiert waren, und die er erst kürzlich auf eine Zwangsarbeiterin gehetzt hatte, der sie eine Brust abrissen. Göth sah mit kundigem Blick den Arbeiten zu und stellte gelegentlich Fragen. So auch diesmal. Garde verstand immer noch nicht, und Göth packte das Ende des schwebenden Balkens und stieß ihn mit voller Wucht Garde entgegen. Dieser suchte ihn mit der Hand abzuwehren, der Balken zerschmetterte die Hand und warf Garde um. Göth machte kehrt und ging weg.
Um nicht als arbeitsunfähig zu gelten, ließ Garde an der Hand
nur das Nötigste machen - nur nicht auffallen. Schließlich konnte Dr. Hilfstein ihn zu einem Gipsverband überreden, der sich mit dem Ärmel verdecken ließ. Eine Woche mußte er noch aushallen, mußte zwischen Wintergarten und Emalia hin und her wandern, und weil ihm der Gipsverband doch zu riskant schien, schnitt er ihn weg. Mit einem Reservehemd und ein paar Büchern traf er dann endlich in der Lipowastraße ein.
Kapitel 23
Gutunterrichtete Gefangene drängten sich danach, Arbeit bei der DEF zu finden. Dolek Horowitz, Einkäufer bei Bosch und Häftling im Lager Plaszow, wußte, daß er niemals die Erlaubnis bekommen würde, zu Schindler zu wechseln, aber er hatte eine Frau und zwei Kinder. Richard, der jüngere, erwachte morgens in der Frauenbaracke im Bett seiner Mutter, ging hinaus und lief den Hang hinunter ins Männerlager zu seinem Vater, mit dem er sich morgens auf dem Appellplatz einzufinden hatte. Man kannte ihn, und er hatte weder von der jüdischen Lagerpolizei noch von den Posten auf den Wachtürmen etwas zu befürchten, denn sein Vater war für Bosch unersetzlich, und Bosch war ein Saufkumpan des Kommandanten.
Richard gelangte also unbehelligt in die Baracke seines Vaters und weckte ihn mit Fragen:
»Warum gibt es immer nur morgens Nebel und nicht am Nachmittag? Kommen heute Lastwagen? Wird es heute früh auf dem Appellplatz lange dauern? Werden welche geschlagen?«
Horowitz wurde klar, daß Plaszow kein geeigneter Ort für Kinder war, auch nicht für so privilegierte wie seine. Er nahm sich vor, mit Schindler zu sprechen, der gelegentlich herkam, seinen alten Freunden unauffällig kleine Geschenke mitbrachte, sich mit ihnen unterhielt, mit Stern zum Beispiel, mit Ginter, mit Pfefferberg. Als es ihm nicht gelang, mit Schindler in Kontakt zu kommen, versuchte er es über Bosch. Bosch und Schindler waren häufig zusammen, in der Stadt, bei gesellschaftlichen Anlässen. Freunde waren sie nicht, das konnte man sehen, aber sie machten Geschäfte miteinander, erwiesen sich gegenseitig Gefälligkeiten.
Horowitz war weniger um seinen Sohn besorgt als um seine Tochter. Richard wurde mit seiner Angst besser fertig, aber die zehnjährige Niusia stellte schon keine Fragen mehr; am Fenster der Halle sitzend, in der sie Bürsten anfertigte, sah sie fast täglich die Lastwagen den Hügel hinauffahren; sie verschloß ihre Augen in sich, wie es Erwachsene tun, sie konnte sich nicht mehr ausweinen. Um ihren Hunger zu stillen, hatte sie sich angewöhnt, Zwiebelschalen in Zeitungspapier zu rauchen, und soweit man hörte, war so etwas in der Emalia nicht nötig.
Horowitz wurde also bei Bosch vorstellig, prägte ihm die Namen der Kinder durch mehrmaliges Wiederholen ein und bat dringend, Bosch möge mit Schindler etwas vereinbaren. Bosch sagte: »Den kenne ich gut, der tut alles für mich.«
Horowitz war skeptisch. Seine Frau Regina verstand sich weder auf die Herstellung von Emailwaren noch auf die von Kartuschen. Bosch selber erwähnte die
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