Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
Vom Netzwerk:
behütetes Dasein gehabt hätte. Aber so gefährdet wie Rebecca Tannenbaum, die Erwählte seines Herzens, lebte er nicht. Sie war Waise, es hatte aber nicht an freundlichen Tanten und Onkeln gefehlt, die sie umsorgten. Sie zählte neunzehn Jahre und war hübsch, sprach fließend Deutsch und verstand, gescheit zu plaudern. Seit kurzem arbeitete sie in Sterns Büro, etwas außerhalb der Reichweite des Kommandanten, aber sie war gelernte Maniküre und behandelte ihn zweimal wöchentlich, wie sie auch die Hände von Untersturmführer Leo John, des SS-Arztes Blancke und die von dessen unfreundlicher Mätresse manikürte. Sie fand die Hände von Göth wohlgeformt; die langen Finger wurden nach vorne zu schmaler, es waren ganz und gar nicht die Hände eines Fettwanstes und schienen auch nicht die eines grausamen Menschen zu sein.
    Als sie erfuhr, daß sie zum Kommandanten kommen sollte, wollte sie weglaufen und ließ sich daran nur hindern, weil der Gefangene sagte: »Stell dich nicht an, wenn ich dich nicht zu ihm bringe, bestraft er mich!« Also war sie dem Mann zu Göths Villa gefolgt, wo sie zunächst auf Helene Hirsch stieß. Die riet ihr, sich ganz professionell zu betragen, das sei noch das sicherste. »Wenn du fertig bist, gebe ich dir was zu essen, aber nimm nichts, ohne zu fragen.«
    Göth nahm die Dienste von Rebecca in Anspruch wie ein deutscher Gast im Hotel Krakovia.
    In zweierlei Hinsicht allerdings unterschied er sich von einem solchen: Er hatte stets die Pistole zur Hand und meist auch einen der Hunde bei sich. Rebecca hatte auf dem Appellplatz mit angesehen, wie die den unseligen Karp zerfleischten. Solche Erinnerungen kamen ihr allerdings unwirklich vor, wenn sich zwischen ihr und Göth eine freundliche Unterhaltung entspann, was durchaus vorkam. Eines Tages hatte sie den Mut zu fragen, warum er immer die Pistole bei sich habe. »Die brauche ich, falls du mich schneidest«, sagte er, und es rann ihr kalt den Rücken herunter.
    Den Beweis dafür, daß er in ihrer Gegenwart zu Untaten ebenso fähig war wie zu einer freundlichen Unterhaltung, lieferte er ihr bald genug: Einmal zerrte er in ihrem Beisein Helene Hirsch an den Haaren aus dem Salon, und als einer der Hunde sie eines Abends beim Betreten des Zimmers ansprang und sie jeden Moment erwartete, er werde ihr in die Brust beißen, bemerkte Göth nur lässig vom Sofa her: »Hör auf zu zittern, albernes Ding, sonst beißt er wirklich.« In der Zeit, in welcher sie seine Hände manikürte, erschoß er seinen Stiefelputzer wegen Nachlässigkeit; ließ er seinen 15jährigen Burschen Poldek Deresiewicz in seinem Büro an die Ringe hängen, weil einer der Hunde einen Floh hatte; erschoß er Lisiek, weil der, ohne vorher zu fragen, für Bosch eine Droschke angespannt hatte. Und doch ging sie zweimal wöchentlich zu ihm und packte den Tiger bei den Tatzen.
    Bau lernte sie eines Morgens vor dem Verwaltungsgebäude kennen, wo er mit seinen Blaupausen stand. Er machte ihr ein liebenswürdiges Kompliment, so etwas waren die Frauen im Lager nicht gewöhnt. In den Freistunden von 19 bis 2,1 Uhr ließ man sich für derartiges keine Zeit. Wer denkt auch schon an Komplimente, wenn die Läuse in Scham-und Achselhaaren kribbeln? Man machte kurzen Prozeß, das galt für die Frauen nicht weniger als für die Männer.
    Bei Schindler ging es weniger desperat zu. Liebespaare konnten sich zwischen die Maschinen zurückziehen wie in Nischen, konnten sich Zeit lassen. Und die strikte Trennung von Männern und Frauen wurde in den überbelegten Baracken nicht so ernst genommen. Außerdem mußte man nicht damit rechnen, daß SS-Personal auftauchte. Und sollte das doch mal zu befürchten sein, konnte Schindler von seinem Büro aus eine Klingel betätigen, die den Lagerinsassen sagte, daß sie als erstes die verbotene Zigarette auszumachen und sodann jeder seinen Platz aufzusuchen hatten.
    Von einem jungen Mann hofiert zu werden, als hätte sie ihn in einem der Cafés der Stadt kennengelernt, war für Rebecca geradezu ein Schock; es erinnerte sie allzusehr an die glücklichen Zeiten vor dem Kriege. Bau zeigte ihr seinen Schreibtisch, an dem er Zeichnungen für neue Baracken anfertigte, und fragte sie, wo sie denn untergebracht und wer ihre Barackenälteste sei. Sie gab ihm scheu die erbetene Auskunft. Sie hatte gesehen, wie Helene Hirsch an den Haaren aus dem Salon geschleift wurde, und hatte den Tod zu gewärtigen, sollte sie die Nagelhaut des Kommandanten verletzen, aber im

Weitere Kostenlose Bücher