Schindlers Liste
mit Oranienburg vorausgegangen, und beide hatten den gleichen Tenor: Die Rüstungsinspektion legt Wert darauf, daß Herr Schindler auch weiterhin in gewohntem Umfang Kochgeschirre und Panzerabwehrgranaten herstellt. Er verfügt über geschulte Arbeitskräfte, und es wird ersucht, in den Ablauf der unter Herrn Schindlers Leitung stehenden Produktion nicht einzugreifen.
Das machte dem Sachbearbeiter Eindruck. Er wolle ganz offen sprechen, sagte er. Noch bestünde nicht die Absicht, den Status von Zablocie zu ändern oder anderweitig über die dortigen Häftlinge zu verfügen. Herr Schindler müsse sich aber darüber klar sein, daß Juden, auch ausgebildete Rüstungsarbeiter, immer gefährdet seien.
Die SS habe eigene Industriebetriebe Ostindustrie beispielsweise beschäftige Häftlinge bei der Torfgewinnung, in einer Bürstenfabrik, in einer Eisengießerei in Lublin, einer Ersatzteilfabrik in Radom, einer Pelzgerberei in Trawniki. Doch andere Dienststelleneben dieser SS dezimierten die Belegschaft ständig durch Erschießungen, und Osti liege derzeit praktisch still. In den Vernichtungslagern reserviere man ebenfalls niemals genügend Häftlinge für Fabrikarbeiten.
Darüber gebe es endlos interne Auseinandersetzungen, doch die Leute in den Lagern ließen nicht mit sich reden. »Selbstverständlich sehe ich, was ich für Sie tun kann«, schloß er und tippte mit dem Finger auf den Brief.
»Ich begreife Ihre Schwierigkeiten«, sagte Schindler breit lächelnd, »und falls ich meinerseits Ihnen irgendwie behilflich sein kann…« Er verließ Oranienburg mit der unter diesen Umständen erreichbaren Zusicherung, daß sein kleiner Hinterhof in Krakau unbehelligt bleiben sollte.
In Plaszow wurde nun das Männerlager von dem der Frauen in der Weise getrennt, wie die Richtlinien für Konzentrationslager dies vorsahen.
Drahtzäune wurden elektrifiziert. Die Einzelheiten waren den Anweisungen zu entnehmen. Die Elektrifizierung bot die Möglichkeit, neue Disziplinarstrafen zu verhängen: Man stellte Häftlinge stundenlang zwischen den elektrifizierten neuen Außenzaun und den alten Lagerzaun. Fielen sie um oder taumelten auch nur, verrichtete der elektrische Zaun sein Werk. Mundek Korn zum Beispiel hatte dort einen Tag und eine Nacht zu stehen.
Männer und Frauen kamen nun nur noch auf dem Appellplatz in den wenigen Minuten vor der Zählung zusammen. Wer sich in der Menge finden wollte, pfiff eine Erkennungsmelodie.
Es war, als würden die Häftlinge gezwungen, die Gewohnheiten balzender Vögel anzunehmen.
Und trotz alledem fanden Rebecca und Bau Wege, ihre Beziehung zueinander zu vertiefen.
Kapitel 27
Schindler wurde am z8. April 1944 36 Jahre alt, und ein Blick in den Spiegel belehrte ihn darüber, daß er Fett angesetzt hatte. Immerhin konnte er an diesem Tage unbedenklich die jungen Frauen umarmen, die ihm gratulierten, denn niemand denunzierte ihn mehr. Seine Frau schickte Glückwünsche aus der Tschechoslowakei, Ingrid und Klonowska brachten Geschenke. Sein Privatleben lief in diesen Jahren in Krakau nach einem fast unveränderten Muster ab: Ingrid war nach wie vor seine Geliebte, Klonowska seine Freundin, Emilie die verständlicherweise abwesende Ehefrau. Niemand weiß, was und ob überhaupt diese Frauen gelitten haben, doch im nun anbrechenden Jahr gab es Veränderungen: Seine Beziehung zu Ingrid kühlte sich ab, Klonowska blieb zwar die loyale Freundin, sah ihn aber außerhalb der Fabrik nur selten. Nur seine Frau hielt unerschütterlich an der Unauflösbarkeit der Ehe fest.
Göth machte ihm ebenfalls ein Geburtstagsgeschenk: Henry Rosner durfte gemeinsam mit dem besten Bariton der Ukrainer in der Lipowastraße auftreten. Göth fand seine Beziehung zu Schindler um diese Zeit überhaupt sehr befriedigend. Als Belohnung dafür, daß er sich für das Fortbestehen des Nebenlagers Emalia verwendete, überließ Schindler ihm seinen Mercedes zum dauernden Gebrauch, den besten Wagen aus seinem Stall.
Das Konzert fand in Schindlers Büro statt, und er war der einzige Zuhörer. Es schien, als wünsche er keine Gesellschaft mehr. Als der Ukrainer auf die Toilette ging, vertraute sich Schindler dem Geiger an. Ihn deprimierten die Nachrichten von der Ostfront. Die Rote Armee hatte in Weißrußland hinter den Pripjetsümpfen haltgemacht und war auch vor Lemberg stehengeblieben. Rosner verstand nicht, warum das Schindler so deprimierte, er mußte doch wissen, daß für ihn hier alles zu Ende wäre, wenn man die Russen
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