Schindlers Liste
der Amtsgruppe D (Konzentrationslager) des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes in Oranienburg bei Berlin. Scherner und Czurda waren nicht mehr unmittelbar zuständig.
Schindler und Madritsch hatten die Miete für ihre Zwangsarbeiter nicht mehr in der Pomorskastraße zu entrichten, sondern an die Dienststelle von Gruppenführer Glücks abzuführen, dem Leiter der Amtsgruppe D (Konzentrationslager) unter Obergruppenführer Pohl. Wollte Schindler jetzt etwas für seine Gefangenen tun, mußte er nicht nur Göth freundlich stimmen, nicht nur Oberführer Scherner zum Essen einladen, sondern auch Verbindungen zu der Bürokratie in Oranienburg knüpfen.
Dazu bedurfte es einer Reise nach Berlin. Oranienburg war ursprünglich ein Konzentrationslager gewesen, in dessen Baracken jetzt jene Bürokraten untergebracht waren, die den Häftlingen vorschrieben, wie sie zu leben und zu sterben hatten. Glücks und Pohl entschieden unter anderem darüber, wie sich das Zahlenverhältnis zwischen den zur Arbeit Verurteilten und den zum Tode Verdammten ausnahm. Überdies ergoß sich von ihren Schreibtischen eine Flut von pedantischen Anweisungen, verfaßt in der Sprache der Planer, der engstirnigen Spezialisten:
SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt
Leiter der Amtsgruppe D (Konzentrationslager)
Di-AZ: 14fl-Ot-SGEH TGB NR 453-An die Kommandanten der Konzentrationslager Da, Sah, Bu, Mau, Neu, Au I - III Gr-Ro, Natz, Stu, Rav, Herz, A-L-Bels, Gruppenl. D Riga, Gruppenl. D. Krakau (Plaszow). Die Gesuche von Lagerkommandanten, in Fällen von durch Häftlinge begangener Sabotageakte die Prügelstrafe zu verhängen, häufen sich. Ich ordne an, daß künftig in allen Fällen von nachgewiesener Sabotage (ein Bericht der Betriebsleitung ist beizulegen) ein Gesuch um Genehmigung einer Hinrichtung durch Erhängen gestellt wird. Die Vollstreckung ist vor allen zum Arbeitskommando gehörenden Häftlingen zum Zwecke der Abschreckung durchzuführen.
Unterschrift SS-Obersturmführer
In dieser gespenstischen Kanzlei wurde festgelegt, wie lang die Haare von Häftlingen sein sollten, damit sie »zu Haarfilzsocken für U-Bootbesatzungen und zu Filzstiefeln für Reichsbahnbedienstete verarbeitet werden können«; es wurde darum gestritten, ob Todesfälle in achtfacher Ausfertigung zu protokollieren seien oder ob es reiche, der Karteikarte bei den Personalakten einen Vermerk hinzuzufügen. Und mit diesen Leuten also sollte Schindler über die Zukunft seines kleinen Arbeitslagers in Zablocie reden. Man wies ihn an eine mittlere Charge. Das sah Schindler ein. Es gab Firmen, die viel mehr Juden als er beschäftigten, Krupp zum Beispiel und IG Farben. Die Kabelwerke in Plaszow. Walter C. Toebbens in Warschau.
Die Stahlwerke Stalowa Wola, die Flugzeugfabriken in Budzyn und Zakopane, Steyr-Daimler-Puch in Radom.
Der Sachbearbeiter hatte die Pläne des Lagers Emalia vor sich auf dem Tisch. »Ich hoffe, Sie wollen nicht Ihre Belegschaft vergrößern. Dann müßten Sie mindestens mit einer Typhusepidemie rechnen.« Schindler winkte ab. Er sei einzig an einer Antwort auf die Frage interessiert, ob er damit rechnen könne, die von ihm angelernten
Arbeiter zu behalten. Er habe darüber bereits mit einem seiner Freunde, Oberst Erich Lange, gesprochen. Dieser Name schien dem Sachbearbeiter bekannt. Schindler reichte ihm einen Brief Langes, und der Mann las ihn aufmerksam. Es war sehr still in diesem Büro. Niemand hätte geahnt, daß hier der Mittelpunkt eines Gebildes war, das von Schreien widerhallte.
Oberst Lange war als Leiter der Rüstungsinspektion beim OKW ein Mann von Einfluß.
Schindler hatte ihn in Krakau kennengelernt, wo beide Gäste von General Schindler waren, und sie waren sich auf Anhieb sympathisch gewesen. Es passierte häufig, daß dem Regime abgeneigte Männer sich bei gesellschaftlichen Anlässen sozusagen erschnüffelten, ein Gespräch und womöglich eine Freundschaft miteinander begannen.
Lange war entsetzt von dem, was er in den Arbeitslagern in Polen gesehen hatte - so etwa im Bunawerk der IG Farben, wo die Vorarbeiter sich wie SS-Aufseher benahmen und Zementsäcke von Häftlingen im Laufschritt entladen ließen; wo die Leichen von Verhungerten und Geschundenen in Kabelschächte geworfen und mit den Kabeln einzementiert wurden. »Ihr seid nicht hier, um zu leben, sondern, um im Beton zu verrecken«, hatte ein Betriebsführer die Neuankömmlinge begrüßt. Lange hatte das gehört und fühlte sich mitschuldig.
Seinem Schreiben waren Telefonate
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