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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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nicht aufhielt.
    Schindler änderte das Thema. »Ich habe Göth mehrmals gebeten, Sie mir zu überlassen, er will aber nicht. Er schätzt Sie zu sehr. Doch irgendwann einmal…«
    Henry beruhigte ihn; er und die Seinen seien in Plaszow gewiß so gut aufgehoben wie bei Schindler. Göth habe beispielsweise seine Schwägerin erwischt, wie sie bei der Arbeit rauchte, und sie sofort erschießen lassen wollen, doch habe der SS-Unterführer ihn darauf aufmerksam gemacht, daß sie mit Rosner verwandt sei, woraufhin Göth nur gesagt habe: »Ah, das ist was anderes. Aber vergiß nicht: Bei der Arbeit wird nicht geraucht.«
    Eben diese Haltung des Hauptsturmführers habe ihn und seine Frau bewogen, den kleinen Olek ins Lager zu holen, der bislang bei Freunden versteckt in Krakau lebte, doch werde das immer schwieriger. Im Lager werde Olek sich unter den Kindern verlieren, von denen viele gar nicht in der Lagerkartei geführt würden. Das werde von einigen SS-Aufsehern stillschweigend geduldet, und überdies stehe er ja unter dem besonderen Schutz von Göth. Es sei nicht einfach gewesen, Olek ins Lager zu bringen, doch Poldek Pfefferberg habe es geschafft.
    Henry lachte in Erinnerung an die Klippen, die dabei zu umschiffen gewesen waren, wenn auch etwas gequält. Schindler hingegen reagierte dramatisch, mag sein, weil er am Abend seines Geburtstages von einer etwas alkoholisierten Melancholie befallen war.
    Er packte die Stuhllehne und reckte den Stuhl drohend dem Führerbild entgegen, doch statt es zu zertrümmern, rammte er mit aller Kraft die Stuhlbeine in den Teppich. Und dann sagte er:
    »Draußen werden Leichen verbrannt, nicht wahr?«
    Rosner verzog das Gesicht, als könne er den Gestank hier drinnen riechen. »Ja, sie haben damit angefangen«, gab er zu.
    Seit Plaszow zum Konzentrationslager befördert worden war, fürchteten die Häftlinge ihren Kommandanten nicht mehr ganz so sehr wie früher. In Oranienburg duldete man keine willkürlichen Erschießungen.
    Vorbei die Tage, wo jemand erschossen wurde, bloß weil er ungeschickt Kartoffeln schälte. Vorschriften waren zu beachten. Es mußte eine Untersuchung stattfinden, und das Protokoll war in dreifacher Ausfertigung nach Oranienburg zu schicken.
    Nicht nur Glücks mußte das Urteil bestätigen, sondern auch Pohls Abteilung W (Wirtschaft).
    Falls nämlich ein Kommandant Facharbeiter erschoß, mußte die Abteilung W unter Umständen mit Schadenersatzforderungen rechnen.
    Die Porzellanfabrik Allach-München, die Häftlinge aus Dachau beschäftigte, hatte beispielsweise RM 31800 Schadenersatz gefordert, »weil wir aufgrund der im Januar 1943 ausgebrochenen Typhusepidemie vom 26. Januar bis zum 3.März keine Arbeitskräfte zur Verfügung hatten. Deshalb sind wir nach Absatz 2…«
    Und schießwütiges Lagerpersonal konnte der Abteilung W gleichfalls solche Forderungen eintragen.
    Göth also bezwang sich jetzt im allgemeinen, schon um innerbetriebliche Querelen und den damit verbundenen Papierkrieg zu vermeiden. Wer im Frühjahr und Sommer 1944 in seinen Schußbereich geriet, merkte wohl, daß die Gefahr geringer geworden war, auch wenn keiner etwas von den Richtlinien der obersten SS-Führung wußte. Die plötzliche Verwandlung, die mit ihrem Kommandanten vor sich ging, war genauso unerklärlich wie sein bisher gezeigter Wahnwitz.
    Unterdessen war man in Plaszow dabei, Leichen zu verbrennen. In Erwartung der russischen Offensive wurden die Todesfabriken im Osten geschlossen. Treblinka, Sobibor und Belzec hatten bereits im vergangenen Herbst die Arbeit eingestellt. Die Kommandanten waren angewiesen worden, die Krematorien zu sprengen und alle Spuren zu verwischen. Die Wachmannschaften wurden zur Partisanenbekämpfung nach Italien verlegt. Die riesige Anlage von Auschwitz im ungefährdeten Oberschlesien sollte die große Aufgabe im Osten vollenden, und sobald das erledigt war, sollten auch dort die Krematorien verschwinden. Es würde dann keine Beweise und keine Zeugen mehr geben.
    In Plaszow war die Lage insofern etwas komplizierter, als die Massengräber ganz unsystematisch ausgehoben worden waren. Die Opfer des Jahres 1943 - vor allem Juden, die anläßlich der Auflösung des Gettos im März ermordet wurden - lagen an allen möglichen Stellen in den Wäldern verscharrt. Göth erhielt nun Befehl, alle Leichen auszugraben und zu verbrennen.
    Die Schätzungen der Anzahl der Opfer variieren erheblich. Polnische Veröffentlichungen, die sich hauptsächlich auf Berichte der

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