Schismatrix
der eisernen Hand Lindsays. Dicke Tropfen des Likörs schwebten zu Boden.
»Aus rein politischen Gründen«, fuhr der Plattenschirm fort. »Sie braucht alle Verbündeten, die sie nur auftreiben kann. Und auf jeden Fall wäre es schwierig gewesen, euch zu mir zu holen. Keiner über Sechzig bekommt die Aufenthaltsgenehmigung für unsere Neotenic Cultural Republic. Mit Ausnahme natürlich von mir und meinen Beamten.«
Lindsay riß die Schnur aus der Scheibe. Dann half er dem kleinen Büroservoboter beim Aufsammeln der Glasscherben.
Als er - viel später - Morrissey wieder hereinbat, wirkte der Mann scheu und unsicher. »Bist du damit ganz durch, Sir? Ich habe den Auftrag, die Scheibe zu löschen.«
»Es war sehr freundlich von dir, sie mir zu überbringen.« Lindsay deutete auf einen Sessel. »Und danke für deine Geduld, daß du so lange gewartet hast.«
Morrissey löschte den Gedächtnisspeicher des Konstrukts und steckte die Scheibe in die Aktenmappe zurück. Dann schaute er Lindsay eindringlich ins Gesicht.
»Hoffentlich habe ich keine schlimmen Nachrichten überbracht.«
»Es war bemerkenswert«, sagte Lindsay. »Vielleicht sollten wir beide uns einen Drink genehmigen, um den Anlaß gebührend zu feiern.«
Ein Schatten fuhr über Morrisseys Gesicht.
»Verzeih mir«, sagte Lindsay. »Ich war wohl sehr taktlos.« Er verstaute die Flasche. Es war nicht mehr viel in ihr.
»Ich bin sechzig Jahre alt«, sagte Morrissey. Er schien sich auf seinem Stuhl nicht sehr wohlzufühlen. »Also haben sie mich rausgeworfen. Aber sie waren sehr höflich dabei.« Er lächelte schmerzlich. »Ich war früher mal Konservationist. Bei der ersten Revolution war ich achtzehn. Ziemlich komisch, wie? Jetzt bin ich ein Sundog.«
Lindsay war vorsichtig. »Ich bin hier nicht ganz ohne Einfluß. Und nicht ganz ohne Mittel. Demboswska hat zahlreiche Flüchtlinge und Asylanten aufgenommen. Ich kann einen Platz für dich finden.«
»Du bist sehr freundlich.« Morrisseys Gesicht war starr. »Ich habe als Biologe gearbeitet - für die Lösung der Ökologieprobleme des Landes. Dr. Constantine hat mich ausgebildet. Aber jetzt, fürchte ich, bin ich längst nicht mehr auf dem neuesten Stand.«
»Na, dem ließe sich ja abhelfen.«
»Ich habe einen Beitrag für dein Journal mitgebracht.«
»Ah. Du interessierst dich für die Investoren, Dr. Morissey?«
»Ja. Hoffentlich entspricht mein Artikel eurem Standard.«
Lindsay zwang sich zu einem Lächeln. »Wir werden zusammen den Text durchsprechen.«
7. Kapitel
SKIMMERS UNION COUNCIL STATE:
13-5-'75
Er fühlte, wie es näher kam, wie es als zuckende subepidermale Spannungszone sich um seinen Hinterkopf kriechend verbreitete. Eine Paramnesie. Die Szene vor ihm zitterte leicht, die Menschenmassen unterhalb seiner Privatloge verschwammen zu einem Fries dichtgedrängter Köpfe vor dunklem Zierat, die Rundbühne mit den Schauspielern in Kostümen, dunkel und rot, schimmernd, eine bewegte Handgeste. Es verlangsamte sich - gefror.
Furcht? - Nein, genaugenommen war es nicht einmal dies... eher eine gewisse Trauer, da jetzt der Würfel gefallen war. Das Warten, das war die Hölle gewesen ... Sechzig Jahre lang hatte er abgewartet, bis er seine alten Kontakte wieder aufnehmen konnte, mit den Verdrahtschädeln der Alt-Radikalen der Republik ... Und jetzt hatten sich die Führer der Drahtköpfe, wie auch er, den Weg an die Macht in den Äußeren Welten mühsam erkämpft. Sechzig Jahre, das war gar nichts für ein Hirn am Draht... die Zeit bedeutete - nichts ... Paramnesien, nichts ... Man gedachte seiner und erinnerte sich noch recht genau an ihn, an den Freund - Philip Khouri Constantine.
Er war es gewesen, der ihre Ketten gesprengt hatte; er hatte die Säuberungen bei den frühsenioralen Aristokraten durchführen lassen, um die Drahtköpfe-Flucht zu finanzieren ... Ach, die Erinnerungen reichten weit zurück; aber sie waren Daten, weiter nichts, klar und frisch aufgespult, abrufbar, wie es seine Feindin Margaret Juliano auf ihrem Bett aus Eis bei den Kataklysmatikern war ... Selbst in dem momentanen Hirnausfallzustand war die aufwallende Befriedigung so lebendig und scharf genug, daß sie aus dem Hirnhintergrund in sein Bewußtsein herauftauchen konnte ... Aaah, dieses einmalige unvergleichliche Wärmegefühl, das er nur empfand, wenn er einen Rivalen zu Fall gebracht hatte...
Und jetzt, schlaff hinter seinen rasenden Gedanken herkriechend, das zeitlupenträge Aufbrechen eines leisen
Weitere Kostenlose Bücher