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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Nysa-Kartell hat die Mechanistische Union verlassen! Sie haben um die Aufnahme als Vertragspartnerstaat in den Rat der Ringe ersucht! Das Council befindet sich in Sitzung ...« Seine Worte ertranken in dem Gebrüll der Zuschauermassen, dem Scheppern der Sicherungsschnallen, als das Volk sich von den Sitzen losmachte und in Verwirrung aufschwärmte. Vetterling kämpfte mit seinem Mikro. Bruchstücke seiner Worte durchstießen das Getöse. »... Kapitulation ... durch die Banken in Skimmers Union ... Industrieller ... neuer Sieg!«
    Es begann bei den Schauspielern. Der männliche Star wies über die Köpfe des Publikums zu Constantines Loge hinauf und brüllte seinen Mitakteuren etwas zu. Daraufhin begann eine der Aktricen in die Hände zu klatschen. Und das breitete sich aus. Dann klatschte die gesamte Truppe mit freudeleuchtenden Gesichtern ihm Beifall. Vetterling hörte den Lärm in seinem Rücken und wandte sich um. Er begriff sofort, und über sein Gesicht quoll ein verkrampftes Lächeln. Mit dramatischer Geste hob er den Arm und brüllte: »Constantine!!! Meine Damen und Herren, Seine Exzellenz, der General-Kanzler!«
    Constantine stand auf und klammerte sich an das Ei sengeländer hinter der Transparenzabschirmung. Als man ihn erblickte, begann die Menge zu toben. Ein wilder Strudel von Gebrüll und Beifall in der Schwerelosigkeit. Sie wußten es alle: Es war der Augenblick seines Triumphes. Die Freude darüber ließ die Masse außer Rand und Band geraten, dieses kurze blitzhafte Aufflackern einer Erlösung aus der finsteren Zwangsspannung des KRIEGES. Und wenn es ihm mißlungen wäre, sie würden ihn mit gleicher Leidenschaftlichkeit zu Tode gehetzt haben. Aber diese düstere Erkenntnis war unter dem Eindruck des Sieges zerstoben. Denn nun, da er und weil er gewonnen hatte, verlieh das Risiko, das er eingegangen war, seiner Lustempfindung nur eine zusätzliche Würze.
    Er wandte sich seiner Ehegemahlin zu. In ihren Augen quollen Tränen des Stolzes auf. Behutsam, ohne das Geländer loszulassen, streckte er ihr eine Hand entgegen. Als sich ihre Finger berührten, las er in ihrem Gesicht. Und dort las er die Wahrheit: Von diesem Abend an würde seine Herrschaft über diese Frau total sein.
    Sie trat an seine Seite. Vera zupfte ihn am Ärmel. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Er hob sie auf und bettete sie in den linken Arm. Seine Lippen streiften ihr Ohr. »Vergiß das hier nie!« flüsterte er heftig.
    Unter dem Zwang eines neuen Rhythmus erstarben die ungezügelten Rufe. Es war der Rhythmus eines ausgedehnten, kadenzierten, rhythmischen Applausrituals, wie es traditionell jeder Sitzung des Ring Councils zu folgen pflegte, uralt, feierlich, eine überwältigende Akklamation, Zustimmung, die keinen Widerspruch duldete. Die Musik der Macht. Constantine hob die Hand seiner Gemahlin über ihrer beider Köpfe und schloß die Augen.
    Es war der glückerfüllteste Augenblick seines Lebens.
     
    DEMBOWSKA CARTEL: 15-5-'75
     
    Lindsay spielte Fingerübungen, um seinen neuen Arm zu trainieren. Es war ein weit fortschrittlicheres Modell als der alte, und die feinen unterschiedlichen Nervenreaktionen verwirrten ihn. Während er die Komposition durchspielte - es war eine der Arbeiten Kitsunes -, spürte er den Anschlag jeder Taste wie eine kurze verschwommene, aber scharfe Hitzewahrnehmung.
    Er ruhte sich etwas aus, und er rieb die Hände gegeneinander. Ein nadelfeines Prickeln lief ihm die Drähte herauf. Seine neue Hand war dicht durchnetzt mit einem Geflecht von Sensoren ähnlich wie an normalen Fingerspitzen. Aber sie waren weitaus reaktionsstärker als die Feedbackpatten seines früheren alten Armes.
    Die Umstellung hatte ihn durcheinandergebracht. Er schaute sich in seinem trübseligen Apartment um. In zweiundzwanzig Jahren hatte es für ihn nie mehr bedeutet als ein Platz, an dem er sein zeitweiliges Lager aufschlug. Die »modischen« Attribute des Lochs - die geriffelte Tapete und die skelettspillerigen Stühle - waren seit zwei Dekaden aus der Mode. Einzig die Sicherheitseinrichtungen, Wells' neueste Investition, waren einigermaßen zeitgemäß.
    Er selber, er, Lindsay, war schal und träge geworden. Jetzt, da er neunzig war, zeichneten Kerben sich um Augen und Mund ab, die Merkmale eines fortgesetzten Ausdruckshabitus. Haar und Bart waren mit Grau durchsetzt.
    Allmählich machte er Fortschritte auf den Keyboards. Er war das Problem Musik mit seiner gewohnten unmenschlichen Stetigkeit angegangen. Über Jahre hin

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