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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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hatte er derart wütend gearbeitet, daß es ihn eigentlich hätte umbringen müssen, doch dank moderner biomonitorischer Technik war jeder drohende Zusammenbruch frühzeitig erkannt und Monate vor dem Akutfall abgewendet worden. Darum kümmerte sich sein Bett, das ihm unterschwellige Blitzschübe von intensiven, verschwommenen Träumen einspeiste, nach denen er an jedem Morgen leer und rein und in perfekter mentaler Gesundheit erwachte.
    Seit der Wiederheirat seiner Gemahlin waren achtzehn Jahre verstrichen. Der Schmerz hatte ihn nie voll getroffen. Ihren derzeitigen Gemahl hatte er flüchtig im Rat kennengelernt: Graham Everett, ein farbloser Detentist mit Verbindungen zu einem mächtigen Clan. Nora benutzte seinen Einfluß, um die Attacken der ihr feindlichen Militaristen zu parieren. Es war im Grunde traurig: Lindsay vermochte sich an den Mann nicht gut genug zu erinnern, um ihn zu hassen.
    Warnsignale unterbrachen ihn. Es war jemand in sein Vorzimmer gekommen. Die Scanner versicherten ihm, daß der Besucher, die Besucherin nur mit harmlosen Mechano-Implantaten ausgerüstet sei: mit plaque-ablösenden Arterial-Mikrobots, antiken Teflon-Kniescheiben, Plastikgelenken, einem porösen Drogendukt in der linken Armbeuge. Ihr Haar war großenteils künstlich, implantierte Strähnen schimmernder Optofasern.
    Er befahl seinem Haus-Servoboter, die Frau hereinzugeleiten. Sie besaß den merkwürdigen Teint, wie er vielen älteren Mechano-Frauen eigen ist: glatte makellose Haut - wie eine perfektangepaßte Pergamentmaske. Die roten Haare durchwoben von den kupfernen Glanzlichtern der Faseroptik. Sie hatte einen ärmellosen grauen Anzug an, eine pelzgefütterte Jacke und ellbogenlange weiße Thermalhandschuhe. »Auditor Milosz?«
    Ihr Akzent klang concatenatisch. Er bat sie, auf der Couch Platz zu nehmen. Sie setzte sich graziös, mit Bewegungen, die durch das Alter zu geschmeidiger Präzision geschliffen waren. »Ja, Madame, was kann ich für dich tun?«
    »Verzeih, daß ich einfach so eindringe, Auditor. Mein Name ist Tyler. Ich bin Sekretärin bei Limonov Cryonics. Aber ich komme in einer privaten Angelegenheit. Ich habe gehört, daß du mit Neville Pongpianskul befreundet bist.«
    »Du bist Alexandrina Tyler«, sagte Lindsay laut, als er begriffen hatte. »Aus dem Mare Serenitatis. Der Republik! «
    Sie wirkte überrascht und schob die dünnen Bögen ihrer Augenbrauen noch höher in die Stirn. »Ach, du weißt über meine Sache schon Bescheid, Auditor?«
    »Du ...« Lindsay setzte sich in den Steigbügelsessel. »Vielleicht möchtest du erst einmal etwas trinken?« Sie war seine erste Ehefrau. Von einer tiefverschütteten Reflexebene fühlte er die Regung einer längsttoten persona , diese brüchige Schicht gefälschter Kinesis, die er in ihrer Ehe zwischen der Frau und sich errichtet hatte.
    Alexandrina Tyler, seine ihm ehelich vermählte Frau, die Cousine seiner Mutter.
    »Ach, danke, nein«, sagte sie und zupfte den Stoff über ihren Knien zurecht. Immer hatte sie Schwierigkeiten mit den Knien gehabt; diese Teflonimplantate hatte sie in der Republik einsetzen lassen.
    Die vertraute Geste führte ihm alles wieder vor Augen: die Heiratspolitik der Aristos in der Republik ... Sie war fünfzig Jahre älter gewesen als er, und ihre Ehe war ein erstickendes Netzgeflecht von angestrengter Höflichkeit und verbissener Rebellion gewesen. Er selbst war jetzt neunzig, also älter, als sie es bei ihrer Eheschließung gewesen war. Und angesichts der Flut neugewonnener Perspektiven, die über ihn hinweggerollt war, vermochte er jetzt einen Hauch dieses längstvergessenen Schmerzes zu verspüren, den er dieser Frau bereitet hatte.
    »Ich bin in der Republik geboren«, sagte sie. »Bei den ShaperSäuberungen, vor fast fünfzig Jahren, verlor ich die Staatsangehörigkeit. Ich habe die Republik geliebt, Auditor. Ich habe sie niemals vergessen können ... Ich entstamme einer der privilegierten Familien, aber ich habe mir gedacht, daß jetzt, nachdem sich das neue Regime dort konsolidiert hat, das alles keine so große Rolle mehr spielen dürfte?«
    »Du warst die eheliche Gemahlin von Abélard Lindsay.«
    Ihre Augen weiteten sich. »Also kennst du meinen Fall ja doch! Und weißt, daß ich einen Antrag auf Emigration gestellt habe? Die Pongpianskul-Regierung hat mich keiner Antwort gewürdigt. Und darum bin ich hier, um dich um deine Unterstützung zu bitten, Auditor. Ich bin zwar nicht Mitglied in eurer Carbon-Clique, aber ich weiß, wie

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