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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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keine andere Möglichkeit gab. Und alles war verändert; auch wir veränderten uns... Die Investoren kamen und brachten ein Mechano-Kontingent in die Schismatrix zurück. Ich glaube, diese - Présence war an Bord des Investorenschiffs. Und seit damals ist sie, ist das immer um mich und bei mir.«
    »Ist es etwas Körperliches?« fragte Lindsay.
    »Ich glaube schon. Manchmal kann ich es fast sehen. Wie ein leichtes Flackern. Wie etwas in Spiegelfarben.«
    »Was sagten die Investoren dazu?«
    »Sie stritten alles ab. Sie haben behauptet, ich hätte Wahnvorstellungen.« Wieder zögerte sie. »Und damit waren sie keineswegs allein.« Sofort bereute sie dieses Eingeständnis. Aber die Last auf ihrer Seele war etwas erträglicher geworden. Sie schaute den alten Mann an. Sie wagte - beinahe - zu hoffen.
    »Also ein Alien«, sagte Lindsay. »Und keines von den uns bekannten neunzehn Arten.«
    »Du glaubst mir? Wirklich? Du glaubst also auch, daß es wirklich da ist?«
    »Wir müssen einander glauben«, sagte Lindsay. »Das Leben wird anständiger auf diese Weise.« Er spähte scharf durch das enge Gemach, als wolle er die Fähigkeit seiner Augen erproben. »Ich würde das - Ding gern aus seinem Versteck locken.«
    »Es wird nicht herauskommen«, sagte das Mädchen. »Glaub mir, ich habe es so oft darum gebeten.«
    »Wir dürfen es nicht hier versuchen«, sagte Lindsay. »Jede Fremdmanifestation würde Kitsune in Alarm versetzen. Und sie fühlt sich in dieser Welt hier in Sicherheit. Wir müssen auf ihre Gefühle Rücksicht nehmen.«
    Seine Offenheit bestürzte sie. Ihr war es nicht in den Sinn gekommen, daß die Person, die sie hier gefangengesetzt hatte, Gefühle besitzen, oder daß irgendwer daran denken könnte, diese gigantische Masse Fleisch als eine »Person« zu respektieren.
    Lindsay hob die Ratte auf, die lautstark zu quieken und verzweifelt zu protestieren begann. Lindsay untersuchte das Tier mit derart arglos sachlichem Interesse, daß Vera - ehe sie sich zur Raison rufen konnte - ein schneidendes Mitgefühl mit ihm empfand und den Drang, ihn zu beschützen. Diese Gefühlsaufwallung überraschte sie, aber sie empfand sie als warm und angenehm.
    Er sagte: »Wir werden bald wieder abreisen. Du kommst mit uns.« Dann steckte er die Ratte in die Tasche seines Übermantels. Sie blieb dort ganz still und friedlich.
    Die Geschichte der Schismatrix war eine lange Chronik qualvollen Wandels. Die Bevölkerung war auf neun Milliarden Personen angewachsen. Im Ring Council war die Macht den Zen-Serotonisten aus den narkotisierten Fingern geglitten. Nach vierzig Jahren ihrer Herrschaft traten jüngere Shaper-Ideologen auf, die sich den aggressiven Ausprägungen des visionären Galaktizismus verschrieben hatten.
    Der neue Glaube war langsam gewachsen. Entstanden war er in den interstellaren Gesandtschaften, wo die Botschaftsangehörigen in ihrem Bemühen, die fremdartige Lebensart zu begreifen, über die Grenzen des Menschlichen hinaus vorstießen. Und inzwischen waren die Propheten des Galaktizismus bereit, die Menschlichkeit ganz und gar abzustreifen, um zu einem Galaktischen Bewußtsein vorzudringen, bei dem bloße Artentreue obsolet werden mußte.
    Und wieder einmal war die Detente in Trümmer zerfallen. In erbitterter Rivalität um die Gunst der Aliens bekämpften Shaper und Mechanisten einander. Von den neunzehn außerirdischen Rassen hatten nur fünf ein höchst oberflächliches Interesse an engeren Beziehungen zur Menschheit erkennen lassen. Die Chondrulenwolken-Prozessoren waren zum Einstieg bereit, jedoch nur, falls man die Venus für ihre leichtere Verdauung atomisieren könne. Die Nervenkorallenaquatiker drückten gelindes Interesse an einer Invasion der Erde aus, was jedoch den Bruch des traditionellen geheiligten Interdikts bedeutet haben würde. Die Kulturgespenster waren bereit, sich mit jedem ins Bett zu legen, der sie ertragen konnte, jedoch hatte sie der abscheuliche Einfluß, den sie auf das Diplomatische Corps der Schismatrix ausgeübt hatten, zum Gegenstand allgemeinen Abscheus werden lassen.
    Die »Gassäcke« von Fomalhaut boten am meisten. Es hatte viele Jahrzehnte gedauert, bis man die Sprache dieser »Schwätzer« beherrschen gelernt hatte, die sich am einfachsten als komplexe Instabilitätszustände atmosphärischer Dynamik definieren ließen. Sobald jedoch der Kontakt richtig aufgenommen war, zeigten sich rasche Fortschritte. Fomalhaut war ein Riesenstern mit gewaltigem Asteroidengürtel, der

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