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Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Titel: Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Berg-Peer
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war Abteilungsleiter in einem großen Unternehmen, er hatte ein Haus, eine Frau und eine Tochter. Vor zehn Jahren konnte er sich mit einem Mal nicht mehr konzentrieren, er fing an zu grübeln, hatte Schlafschwierigkeiten, wich seinen Mitarbeitern aus, vergaß Dinge und traf falsche Entscheidungen. Man sprach mit ihm, empfahl ihm eine Auszeit. Zu Hause wurde es nicht besser, die Familie hatte immer weniger Verständnis für ihn und seinen Zustand. Nun hat Harald eine Erwerbsunfähigkeitsrente und lebt allein in einer 40-Quadratmeter-Wohnung. Seine Familie hat sich von ihm distanziert, seine Kinder wollen ihn nicht sehen. Das Krankenhaus ist ein Refugium für ihn, wenn wieder alles zu viel wird. Es gibt Tage, an denen kann man sich mit ihm wunderbar über Bücher unterhalten, Harald ist sehr belesen. Und dann gibt es die Tage, an denen Harald auf der Station herumbrüllt, die Ärzte beschimpft, weil sie ihn ausspionieren. In seinem Zimmer hat er alles abmontiert, was aus Metall ist. Das Bett hat er quer auf den Flur geschoben, die Tür mit dem Tisch verbarrikadiert und sich zum Schlafen auf den Boden gelegt. Im Metall sind Sonden, die ihn ausspionieren sollen.
    Branko ist 22 und Serbe. Er hat drei Jahre im Krieg gekämpft, bis er nur noch schreiend durch die Straßen lief. Eine Hilfsorganisation hat ihn nach Deutschland in die Psychiatrie gebracht. Branko kann nicht ohne Licht schlafen. Er schläft überhaupt selten. Wenn er einen Raum betritt, achtet er darauf, dass er die Wand im Rücken hat. Bei jedem lauten Wort fährt er zusammen und nimmt eine aggressive Haltung ein. Es gab schon Zusammenstöße mit den Pflegern.
    Almut ist 57. 23 Jahre lang hat sie Medikamente genommen und als Lehrerin gearbeitet, bis ihr die Freundinnen sagten, dass sie sich doch nicht ewig mit diesem giftigen Zeug vollstopfen solle. Sie sei doch inzwischen gesund, das könne man doch sehen. Also hat Almut die Tabletten abgesetzt. Zwei Monate später wurde sie mit schlimmsten Halluzinationen wieder in die Klinik eingeliefert.
    Und da ist Dino, der junge Iraner, dessen mit Gold behängte schöne Mutter täglich mit ihrem stummen Sohn den Flur auf und ab geht. Dino sagt seit einem Jahr kein Wort. Er war auf einem Schweizer Internat, bis er plötzlich »merkwürdig« wurde.
    Und dann ist da noch der dicke Wolfgang, dessen Gesicht unter einem Vollbart nicht mehr zu erkennen ist. Er steht jeden Tag vor der Stationstür, weil er auf seine Freundin wartet. Sie kommt nicht. Nicht mehr. Am Abend weint er.
    Wie sind psychisch kranke Menschen? »Psychisch Kranke sind viel netter, als ich erwartet habe« , zitiert Alex Beam in seinem Buch Gracefully Insane aus dem 1852 geschriebenen Tagebuch eines Apothekers an der amerikanischen Luxuspsychiatrie McLean. Genauso sehe ich das auch. Sie sind wie andere Menschen auch, nur sind sie empfindsamer und leiden oft mehr.

Auch Angehörige müssen sich fügen
    Inzwischen weiß ich, mit welchem Arzt ich reden kann und welche Ärzte mit flatterndem Mantel und nach innen gekehrtem Blick an mir oder anderen Müttern vorbeihuschen, um nur nicht in ein Gespräch verwickelt zu werden. Ich kenne die Tür des Schwesternzimmers, die den größten Teil des Tages wegen Übergabe geschlossen ist – wie uns unfreundlich mitgeteilt wird, wenn Patienten oder ich vorsichtig an die Tür klopfen. Ich habe mich an den traurigen Anblick von Patienten gewöhnt, die nervös trippelnd, mit unterwürfiger Haltung und leiser Stimme bei den Schwestern anfragen, ob sie ihre Zigaretten oder ihr Geld haben könnten, das von den Schwestern aufbewahrt wird. Ich kenne den ängstlichen Blick und den vorsichtigen Rückzug, wenn Patienten – wieder einmal – mit den Worten »ÜBERGABE!« oder »Sie sehen doch, dass wir beschäftigt sind!« oder »Können Sie nicht einen Moment mal warten?« in die Flucht geschlagen werden. Es gibt freundliche und zugewandte Schwestern oder Pfleger. Aber sie sind nicht in der Überzahl.
    Ganz gleich, wie die Schwestern oder Ärzte sich verhalten, wir Angehörigen müssen freundlich bleiben. Nicht fordernd, sondern rücksichts- und verständnisvoll. Wir dürfen uns nicht beschweren. Auch wir Angehörigen müssen Compliance zeigen. Wir müssen verstehen, dass die Schwestern überlastet sind, dass es nicht einfach ist mit den Patienten und dass sie ihr Bestes tun. Natürlich sind psychisch Kranke, Lena eingeschlossen, anstrengend. Rücksichtslos, laut, fordernd, merkwürdig oder manchmal sogar bedrohlich. Aber wenn

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