Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
das Bild. Tisch und Anrichte waren völlig verdreckt. Auf dem Herd standen Töpfe mit angebrannten Essensresten, drumherum verschüttete Milch und eingetrocknete Tomatensoße. Die Spüle war voller dreckigem Geschirr. Leere Konserven türmten sich auf der Ablage. Durch ein schmutziges Fenster fiel graues Licht herein. Sein Blick wanderte nach draußen. Von hier ließ sich die Autobahn einsehen. Ein ständiges Geflitze.
»Setzen Sie sich doch«, sagte Beate Heitbrink und deutete auf einen wackeligen Stuhl. »Möchten Sie Kaffee?«
»Nein danke.« Er nahm Platz und schob eine halb volle Schale mit aufgequollenen Cornflakes zur Seite. Normalerweise war er nicht empfindlich, was Schmutz anging, trotzdem wollte er hier lieber auf Kaffee verzichten. »Wissen Sie schon, ob Sie nach Marienbüren zurückkehren werden?«
Sie hob die Schultern. »Vielleicht ist es besser, wenn ich hierbleibe. Ich weiß noch nicht.«
Das läge wohl an Volker Blank. Falls der vorgesehen hatte, dass Beate Heitbrink weiter auf dem Hof leben sollte, würde sie nach seiner Haftentlassung sicher zurückkehren. Falls er überhaupt in nächster Zeit entlassen werden würde.
Sie zündete sich eine Zigarette an und setzte sich auf einen alten Stuhl, der unter ihrem Gewicht ächzte.
»Frau Heitbrink, ich möchte Sie fragen, welchen Verwendungszweck die alte Scheune auf dem Hof der Blanks hat.«
Damit hatte sie nicht gerechnet. Ein dunkler Schatten legte sich über ihr Gesicht. Und da war noch etwas. Angst.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen«, sagte sie.
»Die Scheune. Die kennen Sie doch. Weshalb steht die leer? Das muss einen Grund haben.«
»Ich war nie in der Scheune. Mich interessiert das nicht. Ich will damit nichts zu tun haben.«
»Womit wollen Sie nichts zu tun haben?«
Sie schwieg.
»Da werden Partys veranstaltet, nicht wahr? Was wissen Sie darüber?«
»Gar nichts! Bitte gehen Sie jetzt.« Sie drückte die Zigarette hastig in ein angebissenes Nutellabrot. »Ich will mit dem Anwalt sprechen.«
»Frau Heitbrink!« Böttgers Stimme wurde laut. »Schluss mit dem Unsinn! Sie sagen mir jetzt, was es damit auf sich hat! Was soll dieses Versteckspiel? Ich will wissen, was in der Scheune passiert ist.«
»Ich weiß das nicht«, heulte sie auf. »Bitte. Ich weiß es wirklich nicht. Da hat nie jemand drüber gesprochen. Und ich habe nicht gefragt. Ich wollte das auch gar nicht wissen. Es war besser so. Für mich.«
»Aber sie lebten auf dem Hof! Sie haben Augen und Ohren. Sie müssen etwas mitbekommen haben. Raus damit: Was wissen Sie? Was ist da passiert?«
Sie sackte in sich zusammen. Tränen liefen an ihren Wangen herab. Böttger schwieg. Er wartete. Früher oder später würde sie antworten, das war sicher. Sie hatte nicht die Kraft, sich ihm zu widersetzen.
»Ich habe immer versucht zu ignorieren, was da vor sich geht«, sagte sie leise. »Es war besser, nicht nachzufragen. Ich wusste, ich würde keine Antworten bekommen. Volker hat mir gesagt, ich soll im Wohnwagen bleiben. Und das hab ich dann auch getan. Wenn da was los war, hab ich immer den Fernseher laut aufgedreht, dann habe ich nichts gehört.«
»Aber Sie müssen sich das Ganze doch irgendwie erklärt haben. Das fand schließlich regelmäßig statt, nicht wahr? Was dachten Sie, was da vor sich geht?«
»Ich weiß nicht. Aber ich hatte Angst davor. Das waren keine normalen Partys. Und diese Leute, die da kamen … Keiner von denen wollte gesehen werden. Volker war vorher immer ganz angespannt. Er hat mich geschlagen. Wenn es so weit war, hab ich im Wohnwagen die Vorhänge zugezogen. Die Tür abgeschlossen. Und wenn ich doch mal was gehört habe, dann hab ich den Fernseher lauter gestellt.«
»Wo waren Jakob und Maike an diesen Abenden?«
Ihr Blick wurde leer. »In ihren Betten.«
»Sind Sie ganz sicher?«
Sie nickte. »Volker hat sie ins Bett gebracht. Es war ja immer spät. Die mussten längst schlafen, wenn das losging.«
Böttger spürte die unsichtbare Barriere. Hier würde er nicht weiterkommen. Beate Heitbrink war entschlossen, an dieser Wahrheit festzuhalten, koste es, was es wolle.
Er dachte an das, was sie über den Tod ihrer Tochter gesagt hatte. Jakob hätte sie während einer seiner sonderbaren Zustände erstickt. Jede Hilfe wäre zu spät gekommen, als sie Maike gefunden hätte. Volker Blank hätte danach entschieden, die Leiche zu verscharren. Keiner sollte erfahren, was auf dem Hof passiert war.
Mehr denn je zweifelte er jetzt an dieser Aussage.
»Sie
Weitere Kostenlose Bücher