Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
war derjenige gewesen, von dem sie das mit der Durchsuchung erfahren hatte.
Die Tür flog auf, und Harald stand vor ihm.
»Brüse will dich sprechen. Sofort.«
»Ich kann mir schon vorstellen, weshalb.«
»Das hat er nicht gesagt.«
Böttger warf noch einen Blick auf die Meldung. »Verdammt, Renate!«, murmelte er.
Er stand auf und ging an Harald vorbei in den Korridor.
»Was ist denn passiert?«, fragte Harald.
»Ich hab ihm seine Show gestohlen. Er hat seine Pressemeute umsonst bestellt. Und jetzt wird er mich dafür bezahlen lassen.«
Harald machte ein irritiertes Gesicht. Doch Böttger hatte keine Zeit, es ihm zu erklären. Er machte sich auf den Weg zum Büro des Kriminaloberrats. Er klopfte bei der Sekretärin, die ihn sofort hereinbat und zum Nebenraum durchwinkte. »Herr Brüse wartet schon auf Sie.« Vor seiner Tür holte Böttger Luft, dann drückte er die Klinke runter und trat ein.
Brüse lehnte sich in seinem Bürosessel zurück und betrachtete ihn schweigend. Dann beugte er sich zur Gegensprechanlage vor und drückte einen Knopf. »Ich möchte nicht gestört werden«, sagte er der Sekretärin, nahm den Finger wieder vom Knopf und ließ sich zurück in den Sessel sinken. In seinem Gesicht tauchte ein böses Lächeln auf.
»Böttger«, sagte er. »Da sind Sie ja.«
Wolfgang Blank hatte ihn von seinem Jagdrevier aus angerufen. Irgendwo im Niemandsland. Die Verbindung war schlecht gewesen, zweimal war sie ganz zusammengebrochen. Trotzdem hatte er alles Notwendige erfahren: Die Polizei war auf dem Hof gewesen. Sie hatten Beweise dafür gefunden, dass dieses Kind von dort stammte. Volker Blank und seine strohdumme Freundin waren bereits festgenommen worden. Nur der alte Herr befand sich noch auf freiem Fuß.
»Vielleicht ist es besser, wenn ich untertauche?«, hatte er wissen wollen. »Noch habe ich einen kleinen Vorsprung.«
»Unsinn. Damit machen Sie alles nur schlimmer. Nein, am besten ist, Sie stellen sich. Sollen die ruhig Fragen stellen. Wenn Sie die Nerven behalten, kann Ihnen nichts passieren.«
»Bekommen wir einen Anwalt von Ihnen?«
»Mal sehen. Ich kümmere mich darum. Aber denken Sie immer daran: Sagen Sie denen nichts. Halten Sie dicht.«
Das würde jedoch wenig nützen. Die drei steckten nämlich bis zum Hals im Dreck. Ihnen würde ein Mord angelastet werden. Und er glaubte kaum daran, dass sie mit heiler Haut davonkommen würden. Aber das konnte ihm egal sein. Solange sie ihn aus dem Spiel ließen.
Nach dem Gespräch hatte er den Wagen verlassen, um sich die Beine zu vertreten. Ein bisschen Aggressionen abbauen. Er trug immer noch Anzug und Krawatte. Die Rolle des Immobilienmaklers war ihm vorerst erhalten geblieben. Sein Aufenthalt in Marienbüren hatte sich verlängert. Schließlich lebte Jakob noch. Etwas war schiefgegangen da draußen auf dem Stiftsgelände. Offenbar hatte er den Jungen nicht mehr so unter Kontrolle, wie er geglaubt hatte. Ein Grund mehr, ihn so schnell wie möglich unschädlich zu machen.
Er holte tief Luft. Seinen Wagen hatte er am Straßenrand geparkt, auf halbem Weg nach Marienbüren. Im Tal zwischen den Hügeln war der Kirchturm zu erkennen. Ein schmaler Asphaltweg führte an den Feldern entlang. Mohn und Kornblumen wucherten am Straßengraben, auf den Wiesen grasten Kühe, dahinter die beginnenden Wälder. Eine Scheißidylle war das. Er hätte kotzen können.
Weit und breit war kein Auto zu sehen. Er war allein hier draußen. Es gab noch einen weiteren Anruf, den er hinter sich bringen musste. Am besten erledigte er das gleich. Er nahm sein Handy und wählte die vertraute Nummer. Der Anruf wurde sofort entgegengenommen.
»Ich bin’s«, sagte er.
Stille am anderen Ende.
»Es gibt Probleme«, fügte er hinzu.
»Die Durchsuchung, richtig?«
Sein Auftraggeber hatte also schon davon gehört.
»Ja, genau. Aber damit haben wir gerechnet, seit der Erdrutsch runtergegangen ist. Das Problem ist nur, diese Idioten haben die Spuren nicht rechtzeitig beseitigt, und jetzt hocken sie alle bei der Polizei.«
»Werden sie schweigen?«, fragte er.
»Nein. Die sind zu blöd, um dichtzuhalten. Früher oder später sagen sie alles, was sie wissen.«
»Worauf müssen wir uns da einstellen?«
»Wir werden keine Probleme bekommen. Jedenfalls keine ernsthaften. Sie kennen keine Namen. Ich habe immer darauf geachtet, dass sie wenig Kontakt zu den Kunden haben. Auch deren Namen kennen sie nicht. Und das, was sie über die Organisation wissen, ist sehr begrenzt.
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