Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
ein Wirtschaftsweg, der von der Straße in den Wald führte. Waldarbeiter hatten mit Zugwagen und schwerem Gerät den Boden aufgerissen. Wasser sammelte sich in den Fahrrinnen. Sie zögerte. Dann bog sie ab, fuhr langsam mit dem Smart durch die tiefen Schlaglöcher und stellte den Wagen schließlich hinter einem Nussstrauch ab.
Sie stieg aus und warf die Tür zu. Dann sah sie sich um. Der kleine Smart war hinter dem Strauch quasi unsichtbar. Dort würde ihn niemand so schnell entdecken.
Sie kehrte zur Straße zurück und schlich bis zur Einfahrt der Blanks. Sie beglückwünschte sich dazu, heute Morgen den dunkelgrünen Trainingsanzug gewählt zu haben. Er war perfekt, wollte man sich hier draußen unauffällig bewegen. Sie verbarg sich hinter den Fichten und spähte den Schotterweg hinunter. Jakob schob sich gerade durchs Eisentor aufs Grundstück. Ein Mann hatte ihm die Tür geöffnet und ließ ihn aufs Gelände. Jakob verschwand hinter dem hohen Zaun, und der Mann verriegelte das Tor.
Sanna überblickte das Grundstück. Hinter der Scheune stand ein weißer Lieferwagen. Sie hielt den Atem an. Sie kannte den Wagen bereits. Sofort war ihr klar, wer dieser Mann dort unten war. Der Einbrecher vom Stift Marienbüren.
Irgendwie war es ihm gelungen, Jakob nach Hause zu locken. Es war wie bei der Sache mit der Talbrücke. Sanna konnte sich nicht erklären wie, aber dieser Mann schaffte es offenbar, Jakob Dinge tun zu lassen, die er selbst gar nicht wollte. Sie vermutete stark, dass Jakob in Gefahr war. Vielleicht sollte jetzt zu Ende gebracht werden, was auf der Talbrücke missglückt war.
Die beiden gingen auf das Wohnhaus zu und verschwanden im Innern. Ruhe legte sich über das Gehöft. Sanna musste näher heran. Zwischen ihr und dem Hof lag ein abgeerntetes Weizenfeld, das keine Deckung bot. Da waren der Schotterweg, ein Straßengraben und der Eisenzaun. Sonst nichts. Etwas entfernt gab es eine Hecke, die das Feld von einer Kuhwiese trennte. Im Schutz der Hecke käme sie näher ans Gelände heran. Und den Rest der Strecke würde sie eben über den Boden robben. Auf der Wiese würde sie im grünen Trainingsanzug schon keiner bemerken, hoffte sie.
Sie machte sich auf den Weg. Schlich an den Fichten entlang zur Hecke. Dort kletterte sie ins Unterholz. Sie verfing sich sofort in Brombeerzweigen, deren Dornen an ihrer Trainingshose rissen. Ein Ast mit regennassen Blättern schlug ihr ins Gesicht, sie schob ihn zur Seite und stieg vorsichtig über einen Elektrozaun auf die Kuhwiese. Hier ging es besser voran, auch wenn es auf dem nassen Gras gefährlich glatt war. Auf dem letzten Stück bewegte sie sich auf allen vieren. Dabei hielt sie das Gehöft genau im Auge. Doch es schien zu funktionieren. Keiner entdeckte sie.
Sie erreichte die Streben des Eisenzauns und verbarg sich hinter einer aufgeschlagenen Eberesche. Sie hatte es geschafft. Durch zwei Streben blickte sie aufs Gelände. Da waren das Haus, eine Scheune und ein Wohnwagen. Ein altes Hollandrad lehnte an einem Baum. Totenstille lag über dem Gehöft. Jakob war nirgends zu sehen.
Sanna fragte sich, was sie als Nächstes tun sollte. Sie musste Jakob befreien, so viel stand fest. Doch sie wusste nicht, wie. Der Zaun war zu hoch, um einfach drüberzuklettern. Zudem würde man sie bei dem Versuch sofort entdecken. Sie wollte warten. Das Gelände beobachten. Vielleicht fiel ihr etwas ein. Zur Not könnte sie Hilfe holen.
Hinter ihr knackte ein Ast. Sie wirbelte herum. Doch es war zu spät. Ein dunkler Schatten näherte sich rasch, eine Gestalt, dann schlug etwas Schweres gegen ihren Kopf. Noch ehe sie den Schmerz spürte, lag sie am Boden. Sie konnte sich nicht bewegen. Die Gestalt hockte sich auf ihre Brust, legte die Hände um ihren Hals und begann sie zu würgen. Sanna stand unter Schock. Ihre Gedanken waren verlangsamt. Sie begriff nicht, was passierte. Sie bekam keine Luft mehr. Wand sich. Würgte. Doch vergebens.
Jetzt erkannte Sanna die Gestalt. Sie traute ihren Augen nicht.
»Jakob«, brachte sie hervor.
Er war es. Und doch war er es nicht. Seine Augen waren dunkel und leblos, ganz anders, als sie es kannte. Mitleidslos, kalt. Nein, das war nicht Jakob.
»Bitte, Jakob«, krächzte sie. »Ich bin’s. Sanna.«
Sie bekam keine Luft mehr. Die Welt geriet ins Wanken. Schwarze Flecken tauchten am Himmel auf. Ihr Sichtfeld verengte sich.
Schließlich ließ er von ihr ab. Sie rang nach Luft.
Ein Mann mit Basecap tauchte hinter ihm auf. Es war der Einbrecher
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