Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
»Wie Sie meinen. Wir werden ja sehen«, drehte sich um und ging.
Die Schulte kam mit dem Kaffee zurück, sah dem Kriminaloberrat mit gerunzelter Stirn hinterher und trat in den Vernehmungsraum. Sie setzte sich Beate Heitbrink gegenüber. Böttger nahm etwas seitlich Platz und schlug die Beine übereinander, als sei er nur ein unbeteiligter Zuhörer. Er schenkte Beate Heitbrink ein unbestimmtes Lächeln. Sie reagierte nicht darauf.
Er betrachtete sie aus dem Augenwinkel. Das billige Sweatshirt, das sie trug, war voller Flecken und spannte über ihrem massigen Körper. Ihr Gesicht war leichenblass, die Haut grau und teigig. In ihren verheulten Augen spiegelten sich ihre Gefühle: Schuld und Scham, Trauer und Verzweiflung. Ihre Nerven schienen am seidenen Faden zu hängen.
Wer hätte gedacht, dass Beate Heitbrink tatsächlich mit ihnen reden würde. Der Anwalt hatte das strikt verhindern wollen. Doch nun saß sie hier, und ihr Zustand sprach Bände. Die Schulte hatte unten in der Zelle zweifelsfrei gute Arbeit geleistet.
»Es ist richtig, was sie tun«, sagte sie zu Beate Heitbrink, wieder mit dieser Sanftheit in der Stimme, die ihm schon zuvor aufgefallen war. »Sie haben sich durchgerungen, mit uns zu reden. Das ist gut, glauben Sie mir.«
Beate Heitbrink blickte die Schulte mit kleinen Schweinsäuglein an. Als hoffte sie, von ihr gerettet zu werden, wovor auch immer.
»Das Mädchen, das wir am Hang gefunden haben«, sagte die Schulte und senkte ihre Stimme. »Frau Heitbrink … das ist Ihr Kind.«
Beate Heitbrink schloss die Augen. Eine Träne rann über ihre Wange. Stille legte sich über den Raum.
»Das stimmt doch, oder? Es war Ihre Tochter.«
Ohne die Augen zu öffnen, flüsterte sie: »Ja. Maike.«
Die Schulte und Böttger wechselten einen Blick.
»Maike«, wiederholte die Schulte. »Der Zeichner vom LKA hat ein Bild von ihr gemalt. Da sieht man, wie sie ausgesehen hat. Sie war ein hübsches Mädchen.«
Die Heitbrink nickte. Sie schaffte es nicht, aufzusehen.
»Ich habe keine Kinder«, fuhr die Schulte fort. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, was Sie gerade durchmachen.«
Wieder rann eine Träne über ihr Gesicht.
»Maike hat keinem was getan«, flüsterte sie.
»Was ist passiert, Frau Heitbrink?«
Sie schüttelte den Kopf. Fiel in Schweigen. Die Schulte wartete. Schließlich lächelte sie und sagte: »Maike. Was für ein schöner Name. Maikes Vater ist Volker Blank, richtig? Ihr Lebensgefährte.«
Sie nickte. Sah auf. Schon wirkte sie gefasster. Offenbar war das sicheres Terrain. Keine Fragen mehr nach dem Mord.
»Ja. Volker und ich sind zusammengezogen, als ich schwanger war.«
»Wie haben Sie ihn kennengelernt?«
»Im Internet. Da gibt’s so Seiten.«
»Verstehe. Und dann sind Sie schwanger geworden.«
»Ja. Und Volker hat mich mit zu sich genommen. Auf den Hof, wo er und sein Vater wohnten.«
Böttger fragte sich, was diese Frau wohl gedacht hatte, als sie zum ersten Mal das düstere Gehöft der Blanks gesehen hatte. Aber wahrscheinlich war ihr Zuhause in Herford kaum besser gewesen.
»Sie und Volker, sie wollten zusammenleben, um gemeinsam das Kind aufzuziehen?«, fragte die Schulte.
»Na ja. Nicht nur. Ich musste auch bei mir raus. Meine Schwester hatte einen neuen Freund. Da war kein Platz mehr für mich.«
»Sie wohnen bei den Blanks im Wohnwagen, ist das richtig?«
Das schien ihr peinlich zu sein. »Ich wollte nicht ins Haus. Opa Wolfgang … Ich hab mich nicht wohlgefühlt. Außerdem war da kein Platz für ein großes Schlafzimmer. Volker hatte dann die Idee mit dem Wohnwagen.«
»Hat Maike auch im Wohnwagen gelebt?«
Beate Heitbrink sah ängstlich zu Böttger. Offenbar waren sie wieder auf ein heikles Thema gestoßen.
»Es gab ein Kinderzimmer im Haus«, sagte sie an Schulte gewandt. »Maike mochte ihren großen Bruder. Ich war ja auch nur ein paar Meter entfernt.«
Böttger wollte nachhaken, doch die Schulte warf ihm einen raschen Blick zu. Sie waren noch nicht so weit, Beate Heitbrink sollte sich weiterhin aufgehoben fühlen. Er würde später darauf zurückkommen müssen.
»Maike war eine Hausgeburt, nicht wahr?«, fragte sie.
»Ja. Als sie kam … Ich wusste nicht, dass es schon so weit ist. Ich war ja vorher noch nie schwanger. Auf einmal ging das los. Ich hatte Bauchschmerzen, ganz schreckliche, und dann war das Kind auch schon da.«
»Haben Sie denn keinen Arzt gerufen?«, fragte die Schulte.
»Nein, es war ja nichts passiert. Volker meinte, ich solle
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