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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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zeitlos. Aber noch etwas war anders mit diesem Zimmer, völlig anders. Ich verstand es nicht ganz, doch so, wie das blasse Herbstlicht durch die Vorhänge hereinschimmerte und das Weiß eines alten Bettes unter dem Fenster hervorhob, hatte ich das Gefühl, in einem anderen Land zu sein.
    »Ist es dir recht?«, fragte Bridget behutsam und schloss die Tür.
    »Ja …«, antwortete ich. »Und dir?«
    Sie sagte nichts, nahm nur meine Hand und führte mich hinüber zum Bett.
     
    Sie war blass und wunderschön und sie roch nach Stroh.
     
    Hinterher lagen wir im schwindenden Licht, beide für eine Weile versunken in unsere eigenen stillen Gedanken. Es war eine gute Stille, eine Stille aus Atemzügen und Trost, und ich hatte nicht das Bedürfnis, sie zu brechen. Obwohl die Straße nur vier oder fünf Meter unter uns war, wirkte das Zimmer friedlich und ruhig. Es gab keinen Verkehrslärm, keine Schritte, überhaupt keine menschengemachten Geräusche – nur ein schwaches, undefinierbares Flüstern, wie der Hauch eines nahenden Windes.
    Ich horchte auf eine tickende Uhr, machte mir aber keine Gedanken, wie spät es war.
    Mein Kopf war leer.
    Gedankenlos …
    Ich war dem Glück nah.
    Nach einer Weile stupste mich Bridget mit dem Fuß. »Ich muss gleich wieder zurück in den Laden.«
    »Wieso?«, fragte ich und lächelte sie an.
    »Wenn Sarah rausfindet, dass ich einfach zugemacht hab, bringt sie mich um.«
    »Wie soll sie es rausfinden?«
    »Du kennst Sarah nicht …«
    Ich wälzte mich auf die andere Seite, fasste nach meiner Jacke auf dem Fußboden und tastete die Taschen ab, bis ich meine Zigaretten fand. »Stört es dich?«, fragte ich Bridget und zog eine aus der Schachtel.
    Sie schüttelte den Kopf. »Irgendwo steht eine Flasche Whisky. Sarah trinkt gern mal einen guten Tropfen Malt … wahrscheinlich ist er da drüben im Schrank. Nimm dir was, wenn du magst.«
    »Nicht nötig, danke«, sagte ich und zündete die Zigarette an.
    »Sicher?«
    »Ja.«
    Sie lächelte wieder.
    Ich sah sie an. »Hab ich schon lange nicht mehr gemacht.«
    »Was – einen Drink abgelehnt?«
    »Nein, ich meinte –«
    »Ich weiß, was du gemeint hast, John«, sagte sie leise lachend. »Und ich hab es mir irgendwie gedacht.« Sie setzte sich halb auf, sah mir für einen Moment in die Augen, dann ließ sie den Körper sinken und legte ihren Kopf auf meine Brust. »Ich hätte nie geglaubt, dass das passieren würde.«
    »Ich auch nicht.«
    »Aber es ist passiert.«
    »Ja.«
    »Bist du froh?«
    »Sehr.«
    »Gut.«
    Ich spürte, wie ihre Hand an meinem Körper hinabglitt.
     
    Wir schliefen eine Weile, dösten ein wenig in der Nachmittagsstille vor uns hin und zum ersten Mal seit Jahren hatte ich nicht das Verlangen, irgendwo anders zu sein. Ich hatte nicht das Verlangen, überhaupt etwas zu sein – jemand anderes, etwas anderes, irgendwas anderes außer ich selbst … Im Moment war ich vollkommen zufrieden damit, wer und was und wo ich war.
    Im Moment.
    Doch die Uhr tickte noch immer und ich wusste, dass nichts ewig währt.
     
    Es war gegen halb fünf, als Bridget sich im Bett aufsetzte, liebenswert ihre Brüste hinter der Decke verbarg und mich mit dem Ellenbogen anstieß.
    »Ich muss jetzt unbedingt aufstehen«, sagte sie. »Wenn ich nicht die Kasse abrechne und das Geld zur Bank trage, bringt mich Sarah wirklich um.«
    Ich setzte mich auf und zündete eine Zigarette an. »Ich mach mich auch besser auf.«
    Sie schaute mich an und sagte nichts, doch ich konnte die Frage in ihren Augen sehen.
    »Ich muss jemanden treffen«, erklärte ich ihr. »Meinen angeheirateten Neffen.«
    Sie lächelte. »Deinen angeheirateten Neffen?«
    »Sein Name ist Cal. Er arbeitet manchmal für mich.«
    »Ach so … dann arbeitest du also heute Nacht?«
    »Sozusagen.«
    »Entschuldige«, sagte sie. »Ich bin nur einfach neugierig. Du musst mir nichts erklären.«
    »Nein, schon gut«, versicherte ich ihr. »Macht mir nichts aus, wenn du fragst … es ist nur … na ja, so richtig Arbeit ist es eigentlich nicht. Nur etwas, was ich klären muss.«
    »Hat es mit diesem Mann zu tun?«
    »Welchem Mann?«
    »Dem Polizisten … wie hieß er noch? Der, der bei uns im Haus war.«
    »Bishop?«
    »Ja, genau.«
    »Wie kommst du darauf, dass es um Bishop geht?«
    »Keine Ahnung«, sagte sie mit einem Schulterzucken. »Ich hatte nur so ein Gefühl bei ihm, das ist alles. Als er bei uns war und als ich ihn im Fernsehen gesehen habe …« Sie zitterte. »Ich weiß nicht …

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