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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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sein, Windeln zu wechseln und Erbrochenes aufzuwischen, während Martin sein Leben weitergelebt hätte und durch die Welt gegondelt wäre.«
    Ich nickte nur, unsicher, was ich sagen sollte.
    Imogen lächelte mich an. »Du hast Martin nie gemocht, stimmt’s?«
    »Ich hab ihn eigentlich nie so richtig kennengelernt.«
    »Ja, aber trotzdem hast du ihn nicht gemocht .«
    Ich sah sie an. Sie lächelte.
    Ich sagte: »Und kommst du klar?«
    »Ja«, antwortete sie kopfnickend. »Ja, ziemlich gut sogar.«
    »Schön.«
    »Und du? Ich meine abgesehen von der Scheiße, die gerade läuft. Wie geht es dir?«
    »Also …«
    »Das Geschäft läuft gut?«
    »Ja, alles bestens.«
    »Und der Rest?«
    »Welcher Rest?« »Dein Leben …« »Keine Ahnung«, murmelte ich, einen Moment lang unerklärlich verlegen. »Weißt du, ich steh morgens auf … geh zur Arbeit, komm nach Hause, mach irgendwas …«
    »Was heißt ›irgendwas‹?«
    Ich zuckte die Schultern. »Irgendwas eben … das, was alle so tun. Lesen, fernsehen, essen, schlafen …«
    »Triffst du dich mit jemandem?«
    »Nein.«
    »Würdest du gern?«
    Ich seufzte.
    Imogen sah mich an. »Tut mir leid … ich wollte nicht …«
    »Schon gut.«
    »Ich … ich mach mir nur Sorgen um dich, John, das ist alles.«
    »Brauchst du nicht.«
    »Ich weiß«, sagte sie grinsend. »Tu ich aber gern.«
    Ich lächelte sie an und einen Moment lang fiel mir wieder ein, wie nah wir uns früher gewesen waren und wie anders jetzt alles war. Damals … es war eine Zeit ohne Geister – der Frühling vor dem Sommer, als die Blätter, die jetzt fielen, erst noch wachsen mussten.
    Ich schaute aus dem Autofenster und sah, dass wir uns der Ecke näherten, wo meine Straße abging. »Am besten lässt du mich hier raus«, sagte ich zu Imogen.
    »Wieso?«, fragte sie, immer noch lächelnd. »Willst du nicht mit mir zusammen gesehen werden?«
    »Es standen Reporter vor meinem Haus, als ich gegangen bin«, erklärte ich. »Und ein Fernsehteam. Wenn sie dich mit mir zusammen sehen … also, du weißt ja, wie das läuft.«
    Sie schaute auf ihre Uhr. »Aber es ist halb elf, John.«
    »O ja, das hatte ich vergessen … die gehen ja alle um zehn ins Bett, nicht?«
    Sie nickte, blieb an der Ecke zu meiner Straße stehen und parkte professionell am Bordstein. Der Motor des Mercedes schnurrte leise und für ein, zwei Minuten saßen wir einfach nur in der Wärme des Wagens, versunken in ein inniges Schweigen. »Ich habe einen Hut und einen Schal hinten im Auto«, sagte Imogen nach einer Weile. »Ist nicht die ausgefallenste Tarnung der Welt, aber wenn du Lust hättest, mich auf einen Drink einzuladen, könnte ich den Wagen hier stehen lassen …«
    Ich sah sie an, unsicher, was ich davon halten und was ich dazu sagen sollte … und die Unsicherheit spiegelte sich offenbar derart deutlich in meinem Gesicht, dass Imogen kurz darauf traurig lächelte und sagte: »Dann vielleicht ein andermal?«
    »Ja, tut mir leid … es ist nur …«
    »Ich versteh das, John. Wirklich, ist schon okay.« Ihr Lächeln wurde breiter und sie beugte sich herüber und küsste mich. »Und man kann ja nie wissen«, fügte sie hinzu und streifte meine Wange mit der Hand. »Vielleicht taucht ja eines Nachts eine geheimnisvolle Frau in Hut und Schal auf, die ein bisschen Gesellschaft sucht …«
    »Ich werd nach ihr Ausschau halten.«
    »Tu das.«
     
    Ich konnte keine Reporter oder Fernsehleute entdecken, als ich die Straße entlang zu meinem Haus ging, und überlegte schon, ob sie tatsächlich alle nach Hause und früh zu Bett gegangen waren, doch dann – gerade als ich auf den Eingang zuging – öffnete sich die Tür eines parkenden Autos und eine junge Frau sprang aus dem Fahrzeug und drückte die Taste eines Aufnahmegeräts.
    »Mr Craine?«, rief sie. »Könnte ich kurz mit Ihnen sprechen wegen –«
    »Nein«, sagte ich bestimmt.
    Sie nahm es nicht zur Kenntnis, sondern kam auf mich zugetrippelt, drängte sich neben mich und hielt mir das Aufnahmegerät ins Gesicht. »Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie die Nachricht über Anton Viner erfuhren, Mr Craine?«
    »Wunderbar«, sagte ich. »Hat mir echt den Tag gerettet.«
    Einen Augenblick war sie sprachlos, und das reichte mir, um zum Haus zu kommen und den Schlüssel ins Schloss zu stecken.
    »Wie haben Sie Annas Leiche gefunden, John?«, fragte sie. »Woher wussten Sie, wo sie lag?«
    Ich antwortete nicht, sondern öffnete nur die Tür.
    » Kannten Sie Anna, John?«
    Ich

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