Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
To­ni. Die en­ge Stra­ße führ­te auf einen kopf­stein­ge­pflas­ter­ten Platz mit ei­ner großen Kir­che, schat­ti­gen Bäu­men und ei­ni­gen Ge­schäf­ten. To­ni fuhr lang­sam auf dem Platz her­um, bis er ein Ca­fe ent­deck­te, das ihm zu­sag­te. „Hier geht es.“
    „Ich... ich wer­de auf Sie war­ten.“
    „Sie soll­ten auch et­was trin­ken. Au­to­fah­ren macht durs­tig. Ich kau­fe Ih­nen einen Drink.“ Sie woll­te pro­tes­tie­ren, doch er sag­te nur: „Ihr Va­ter wird mir das Geld zu­rück­ge­ben.“
    Se­li­na setz­te sich an einen klei­nen Eis­en­tisch in die Son­ne. Hin­ter ihr, in der Bar, re­de­te To­ni mit dem Wirt. Ei­ne klei­ne Grup­pe von Kin­dern, die ge­ra­de aus der Schu­le ka­men, nä­her­te sich. Die klei­nen Mäd­chen tru­gen blaue Baum­woll­schür­zen und ma­kel­lo­se wei­ße Strümp­fe. Sie ka­men Se­li­na wun­der­schön vor mit ih­ren dunklen Zöp­fen und den gol­de­nen Ohr­rin­gen, die Ar­me und Bei­ne oliv­braun und voll­kom­men ge­formt. Wenn sie lach­ten, blitz­ten ih­re wei­ßen Zäh­ne.
    Sie merk­ten, daß Se­li­na sie be­ob­ach­te­te, und ki­cher­ten. Zwei der klei­nen Mäd­chen wa­ren et­was mu­ti­ger als die an­de­ren und blie­ben vor Se­li­na ste­hen, in den dunklen Au­gen ein ver­schmitz­tes Lä­cheln. Se­li­na sehn­te sich da­nach, Freund­schaft zu schlie­ßen. Im­pul­siv öff­ne­te sie ih­re Hand­ta­sche und hol­te einen Dreh­blei­stift mit ei­ner gelb-blau ge­mus­ter­ten Kor­del her­aus, den sie nie be­son­ders ge­mocht hat­te. Sie hielt ihn mit ei­ner auf­for­dern­den Ges­te den Mäd­chen hin. Zu­erst wa­ren sie zu schüch­tern, doch dann griff die Klei­ne mit den Zöp­fen ganz vor­sich­tig nach dem Stift, als könn­te er bei­ßen. Das an­de­re klei­ne Mäd­chen leg­te sei­ne Hand mit ei­ner ent­waff­nen­den Ges­te in Se­li­nas, als woll­te es ihr ein Ge­schenk ma­chen. Die Hand war warm und weich, und an ei­nem Fin­ger steck­te ein klei­ner Gold­ring.
    To­ni trat mit ei­nem Bier für sich und ei­nem Oran­gen­saft für Se­li­na auf den Platz her­aus, und die Kin­der be­ka­men es mit der Angst und sto­ben wie auf­ge­reg­te Tau­ben aus­ein­an­der. Lä­chelnd sah Se­li­na ih­nen nach, und To­ni sag­te: „Tja, die Klei­nen...“, mit so­viel Stolz und Zu­nei­gung in der Stim­me, als wä­ren es sei­ne ei­ge­nen Kin­der.
    Sie setz­ten ih­re Fahrt fort. Der Cha­rak­ter der In­sel hat­te sich in­zwi­schen völ­lig ver­än­dert. Die Stra­ße führ­te jetzt am Fuß ei­ner Berg­ket­te ent­lang, wäh­rend auf der See­sei­te die Fel­der in ei­nem sanf­ten Bo­gen zu ei­nem weit ent­fern­ten duns­ti­gen Ho­ri­zont ab­fie­len. Sie wa­ren fast drei Stun­den un­ter­wegs, als Se­li­na ein Kreuz ent­deck­te, das sich hoch oben auf ei­nem Berg vor ih­nen deut­lich ge­gen den Him­mel ab­hob.
    „Was ist das?“ frag­te sie.
    „Das ist das Kreuz von San Es­te­ban.“
    „Ein­fach nur ein Kreuz? Auf ei­nem Berg?“
    „Nein, da oben steht ein sehr großes Klos­ter. Ein Mönchs­or­den.“
    Der Ort San Es­te­ban lag am Fu­ße des Ber­ges im Schat­ten des Klos­ters. An der Kreu­zung im Stadt­zen­trum zeig­te schließ­lich ein Schild nach Ca­la Fu­er­te, das ers­te, das Se­li­na sah. To­ni steu­er­te den Wa­gen nach rechts, und die Stra­ße führ­te plötz­lich bergab durch Kak­tus­fel­der, Oli­ven­hai­ne und duf­ten­de Eu­ka­lyp­tus­bäu­me. Die Küs­te vor ih­nen schi­en ein ein­zi­ges Dickicht von Pi­ni­en­wäl­dern zu sein, doch als sie nä­her ka­men, ent­deck­te Se­li­na hier und da wei­ße Häu­ser und Gär­ten vol­ler kräf­ti­gro­sa, blau­er und schar­lach­ro­ter Blu­men.
    „Ist das hier Ca­la Fu­er­te?“ frag­te sie.
    „ Si. “
    „Es sieht ganz an­ders als die an­de­ren Dör­fer aus.“
    „Ja, das ist ein Ur­laub­sort. Für Be­su­cher. Vie­le Leu­te ha­ben Häu­ser hier, für den Som­mer, wis­sen Sie. Sie kom­men, wenn es heiß ist, aus Ma­drid und Bar­ce­lo­na.“
    „Ver­ste­he.“
    Kräf­tig nach Harz duf­ten­de Pi­ni­en schlos­sen sich über ih­nen und spen­de­ten küh­len Schat­ten. Es ging wei­ter an ei­nem Bau­ern­hof vor­bei, aus dem das Ge­ga­cker zahl­lo­ser Hüh­ner drang, an ei­nem oder zwei

Weitere Kostenlose Bücher