Schlafender Tiger. Großdruck.
und eilten auf sie zu, indem jeder versuchte, Selina zu seinem Auto zu lotsen.
„Spricht einer von Ihnen Englisch?“ fragte sie laut.
„Si. Si. Si.“
„Ich möchte nach Cala Fuerte.“
„Cala Fuerte, si .“
„Kennen Sie Cala Fuerte?“
„ Si, si “, erwiderten alle.
„Oh, spricht denn niemand von Ihnen Englisch?“
„Doch“, sagte eine Stimme. „Ich spreche Englisch.“
Es war der Fahrer des vierten Taxis. Während seine Kollegen versucht hatten, Selina in ihren Wagen zu locken, wartete er und rauchte in Ruhe seine Zigarre zu Ende. Jetzt ließ er den qualmenden Stummel fallen, trat ihn aus und kam auf Selina zu. Seine Erscheinung war nicht gerade vertrauenerweckend. Er war ein Schrank von einem Mann, sowohl groß als auch dick. Er trug ein blaues Hemd, das vorne offen war und eine schwarzbehaarte Brust offenbarte. Um seine Hosen war ein kunstvoll geknüpfter Ledergürtel geschlungen, und dazu hatte er einen völlig unpassenden Strohhut auf dem Kopf, so einen, wie ihn Touristen gern aus den Ferien mitbringen. Er trug trotz der frühen Stunde eine Sonnenbrille, und sein schmaler schwarzer Schnurrbart sollte wohl verheißungsvolle Don-Juan-Qualitäten andeuten. Er sah so sehr wie ein Verbrecher aus, daß Selina zögerte.
„Ich spreche Englisch“, sagte er mit starkem amerikanischen Akzent. „Ich habe auf dem Festland gearbeitet, auf einem U.S.-Waffenstützpunkt. Ich spreche Englisch.“
„Oh. Nun...“ Mit Sicherheit war jeder der drei anderen Taxifahrer diesem Rohling vorzuziehen, ob er nun Englisch sprach oder nicht!
Er ignorierte ihr Zögern. „Wohin wollen Sie?“
„Nach... Cala Fuerte. Aber ich bin sicher...“
„Ich fahre Sie hin. Sechshundert Peseten.“
„Oh. Also...“ Hoffnungsvoll blickte sie die anderen Taxifahrer an, aber die schienen bereits aufgegeben zu haben. Einer von ihnen war sogar inzwischen zu seinem Taxi zurückgegangen und putzte mit einem alten Lappen die Scheiben.
Sie drehte sich wieder zu dem riesigen Mann mit dem Strohhut um. Er lächelte, ein anzügliches Grinsen voller Zahnlücken. Sie schluckte. „Also gut. Sechshundert Peseten.“
„Wo ist Ihr Gepäck?“
„Verschwunden. In Barcelona.“
„Das ist schlecht.“
„Ja, es ist ins falsche Flugzeug gekommen. Sie suchen danach, und ich werde es morgen oder übermorgen erfahren. Jetzt muß ich nach Cala Fuerte, wissen Sie, und...“
Irgend etwas an dem Gesichtsausdruck des dicken Mannes ließ sie innehalten. Er starrte auf Selinas Handtasche. Sie folgte seinem Blick und sah, daß tatsächlich etwas Seltsames mit ihrer Tasche geschehen war. Obwohl die zwei stabilen Bügel noch über ihrem Arm hingen, war die Tasche offen wie ein hungriges Maul. Die Verschlußriemen waren sauber durchgeschnitten, wie mit einer Rasierklinge. Und ihre Brieftasche war verschwunden!
Der Taxifahrer hieß Toni. Er stellte sich ihr förmlich vor und übernahm während der langen und ermüdenden Befragung durch die Guardia Civil die Rolle des Übersetzers.
Ja, die Señorita ist bestohlen worden. Unter den vielen Menschen auf dem Flughafen war an diesem Morgen ein Dieb mit einer Rasierklinge gewesen. Man hatte ihr alles gestohlen. Alles was sie besaß.
Ihren Paß auch?
Nein, nicht ihren Paß. Aber ihr Geld, ihre Peseten, ihr englisches Geld, ihre Reiseschecks, und ihr Rückflugticket nach London.
Die Guardia Civil untersuchte aufmerksam Selinas Handtasche.
Hatte die Señorita nichts gemerkt?
Nicht das geringste. Wie konnte sie etwas gemerkt haben, während sie sich einen Weg durch die Menge bahnte?
Die Tasche sah aus, als hätte man sie mit einer Rasierklinge aufgeschnitten.
Genau das war es. Eine Rasierklinge. Ein
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