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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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und eil­ten auf sie zu, in­dem je­der ver­such­te, Se­li­na zu sei­nem Au­to zu lot­sen.
    „Spricht ei­ner von Ih­nen Eng­lisch?“ frag­te sie laut.
    „Si. Si. Si.“
    „Ich möch­te nach Ca­la Fu­er­te.“
    „Ca­la Fu­er­te, si .“
    „Ken­nen Sie Ca­la Fu­er­te?“
    „ Si, si “, er­wi­der­ten al­le.
    „Oh, spricht denn nie­mand von Ih­nen Eng­lisch?“
    „Doch“, sag­te ei­ne Stim­me. „Ich spre­che Eng­lisch.“
    Es war der Fah­rer des vier­ten Ta­xis. Wäh­rend sei­ne Kol­le­gen ver­sucht hat­ten, Se­li­na in ih­ren Wa­gen zu lo­cken, war­te­te er und rauch­te in Ru­he sei­ne Zi­gar­re zu En­de. Jetzt ließ er den qual­men­den Stum­mel fal­len, trat ihn aus und kam auf Se­li­na zu. Sei­ne Er­schei­nung war nicht ge­ra­de ver­trau­en­er­we­ckend. Er war ein Schrank von ei­nem Mann, so­wohl groß als auch dick. Er trug ein blau­es Hemd, das vor­ne of­fen war und ei­ne schwarz­be­haar­te Brust of­fen­bar­te. Um sei­ne Ho­sen war ein kunst­voll ge­knüpf­ter Le­der­gür­tel ge­schlun­gen, und da­zu hat­te er einen völ­lig un­pas­sen­den Stroh­hut auf dem Kopf, so einen, wie ihn Tou­ris­ten gern aus den Fe­ri­en mit­brin­gen. Er trug trotz der frü­hen Stun­de ei­ne Son­nen­bril­le, und sein schma­ler schwar­zer Schnurr­bart soll­te wohl ver­hei­ßungs­vol­le Don-Ju­an-Qua­li­tä­ten an­deu­ten. Er sah so sehr wie ein Ver­bre­cher aus, daß Se­li­na zö­ger­te.
    „Ich spre­che Eng­lisch“, sag­te er mit star­kem ame­ri­ka­ni­schen Ak­zent. „Ich ha­be auf dem Fest­land ge­ar­bei­tet, auf ei­nem U.S.-Waf­fen­stütz­punkt. Ich spre­che Eng­lisch.“
    „Oh. Nun...“ Mit Si­cher­heit war je­der der drei an­de­ren Ta­xi­fah­rer die­sem Roh­ling vor­zu­zie­hen, ob er nun Eng­lisch sprach oder nicht!
    Er igno­ri­er­te ihr Zö­gern. „Wo­hin wol­len Sie?“
    „Nach... Ca­la Fu­er­te. Aber ich bin si­cher...“
    „Ich fah­re Sie hin. Sechs­hun­dert Pe­se­ten.“
    „Oh. Al­so...“ Hoff­nungs­voll blick­te sie die an­de­ren Ta­xi­fah­rer an, aber die schie­nen be­reits auf­ge­ge­ben zu ha­ben. Ei­ner von ih­nen war so­gar in­zwi­schen zu sei­nem Ta­xi zu­rück­ge­gan­gen und putz­te mit ei­nem al­ten Lap­pen die Schei­ben.
    Sie dreh­te sich wie­der zu dem rie­si­gen Mann mit dem Stroh­hut um. Er lä­chel­te, ein an­züg­li­ches Grin­sen vol­ler Zahn­lücken. Sie schluck­te. „Al­so gut. Sechs­hun­dert Pe­se­ten.“
    „Wo ist Ihr Ge­päck?“
    „Ver­schwun­den. In Bar­ce­lo­na.“
    „Das ist schlecht.“
    „Ja, es ist ins falsche Flug­zeug ge­kom­men. Sie su­chen da­nach, und ich wer­de es mor­gen oder über­mor­gen er­fah­ren. Jetzt muß ich nach Ca­la Fu­er­te, wis­sen Sie, und...“
    Ir­gend et­was an dem Ge­sichts­aus­druck des di­cken Man­nes ließ sie in­ne­hal­ten. Er starr­te auf Se­li­nas Hand­ta­sche. Sie folg­te sei­nem Blick und sah, daß tat­säch­lich et­was Selt­sa­mes mit ih­rer Ta­sche ge­sche­hen war. Ob­wohl die zwei sta­bi­len Bü­gel noch über ih­rem Arm hin­gen, war die Ta­sche of­fen wie ein hung­ri­ges Maul. Die Ver­schluß­rie­men wa­ren sau­ber durch­ge­schnit­ten, wie mit ei­ner Ra­sier­klin­ge. Und ih­re Brief­ta­sche war ver­schwun­den!
     
    Der Ta­xi­fah­rer hieß To­ni. Er stell­te sich ihr förm­lich vor und über­nahm wäh­rend der lan­gen und er­mü­den­den Be­fra­gung durch die Gu­ar­dia Ci­vil die Rol­le des Über­set­zers.
    Ja, die Seño­ri­ta ist be­stoh­len wor­den. Un­ter den vie­len Men­schen auf dem Flug­ha­fen war an die­sem Mor­gen ein Dieb mit ei­ner Ra­sier­klin­ge ge­we­sen. Man hat­te ihr al­les ge­stoh­len. Al­les was sie be­saß.
    Ih­ren Paß auch?
    Nein, nicht ih­ren Paß. Aber ihr Geld, ih­re Pe­se­ten, ihr eng­li­sches Geld, ih­re Rei­se­schecks, und ihr Rück­flug­ticket nach Lon­don.
    Die Gu­ar­dia Ci­vil un­ter­such­te auf­merk­sam Se­li­nas Hand­ta­sche.
    Hat­te die Seño­ri­ta nichts ge­merkt?
    Nicht das ge­rings­te. Wie konn­te sie et­was ge­merkt ha­ben, wäh­rend sie sich einen Weg durch die Men­ge bahn­te?
    Die Ta­sche sah aus, als hät­te man sie mit ei­ner Ra­sier­klin­ge auf­ge­schnit­ten.
    Ge­nau das war es. Ei­ne Ra­sier­klin­ge. Ein

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