Schlafender Tiger. Großdruck.
umzusteigen.
Gewöhnlich kam er einmal in der Woche nach San Antonio, um seine Post vom Yachtclub abzuholen, zur Bank zu gehen und fehlende Teile für sein Boot zu besorgen. Bei diesen Gelegenheiten schaute er fast immer bei Frances vorbei, sie aßen zusammen zu Abend oder besuchten irgendeine der Parties, die in den Bars am Hafen allabendlich gefeiert wurden.
Sie war hingerissen von ihm, mehr als er von ihr, wie sie wußte, doch das machte ihn in ihren Augen um so begehrenswerter. Sie fühlte eine nagende Eifersucht auf alles, was ihn von ihr fernhielt, seine Schriftstellerei, seine Yacht, aber vor allem auf das unabhängige Leben, das er in Cala Fuerte führte. Sie wollte, daß er sie brauchte, doch er schien nichts und niemanden zu brauchen. Ihr Geld beeindruckte ihn nicht im geringsten, was ihm an ihr gefiel, war ihr derber, männlicher Sinn für Humor. Während sie ihn jetzt beobachtete, dachte sie voller Befriedigung, daß er der erste richtige Mann war, den sie seit Jahren getroffen hatte.
Er war dabei, die Sachen, die er gekauft hatte, in einen Korb zu packen. Allein schon seine braungebrannten Hände bei dieser einfachen Tätigkeit zu beobachten, weckte ein fast schmerzhaftes Verlangen in Frances. Gegen ihren Willen, aber in der Hoffnung, ihn zum Bleiben überreden zu können, sagte sie: „Du hast noch nichts gegessen.“
„Das mache ich zu Hause.“
Zu Hause. Sie wünschte, sein Zuhause wäre bei ihr. „Einen Drink?“ fragte sie.
Lachend und mit rotgeäderten Augen sah er zu ihr hoch. Offenbar amüsierte er sich königlich. „Hör mal, Kleines, ich habe eine dreistündige Autofahrt vor mir.“
„Ein Drink wird dich schon nicht umbringen.“ Sie hätte selbst gern etwas getrunken.
„Nein, aber vielleicht ein verdammter Lastwagen, nachdem ich eingeschlafen bin.“
Der Korb war gepackt. George Dyer erhob sich. „Ich muß gehen.“
Frances stand ebenfalls auf und drückte ihre Zigarette aus, um ihm beim Tragen zu helfen. Er hob die schwere Kiste mit der Ersatzschiffsschraube hoch, und Frances nahm den Korb. Sie ging vor ihm die Steintreppe zum Innenhof hinunter, wo ein Zitronenbaum neben dem Brunnen stand, öffnete die schwere Doppeltür, die auf die enge Straße führte, und trat hinaus in den Sonnenschein.
Hier, an dem steilen Abhang, stand Georges lächerliches Auto, ein alter Morris Cowley mit gelben Rädern und einem Verdeck wie ein Kinderwagen. Sie luden die Sachen ein, dann drehte sich George zu Frances um. „Es hat Spaß gemacht“, sagte er.
„Das kommt daher, daß wir es nicht geplant haben, Liebling. Wie heißt das Wort noch? Spontan.“ Sie küßte ihn auf den Mund. Da sie so groß war, daß sie sich dazu nicht hochrecken mußte, beugte sie sich einfach vor und überrumpelte ihn. Ihr heller, dick aufgetragener Lippenstift schmeckte süß. Kaum hatte sie sich von ihm gelöst, wischte er sich mit dem Handrücken den Mund ab und stieg in seinen Wagen.
„Auf Wiedersehen, Frances.“
„Bis bald.“
Sie entfernte den Stein, den sie in der Nacht kichernd und herumalbernd unter das Vorderrad geschoben hatten, und George löste die Handbremse. Der Wagen setzte sich im Leerlauf in Bewegung und gewann beängstigend schnell an Tempo, während er die Kurven der schmalen, steilen Straße nahm wie auf einer Achterbahn und Katzen und Hühner in die Flucht jagte. Die Männer der Guardia Civil, die am Tor der alten Mauer Wache hielten, schüttelten mißbilligend den Kopf.
George Dyer fuhr zurück nach Cala Fuerte, die staubigen Straßen hinunter, durch die sorgfältig bestellten Felder, vorbei an den Windmühlen und den geduldigen Pferden, die die Wasserräder drehten. Er kam zu der gewundenen Straße am Fuß der Berge, hoch über sich das Kreuz von San
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