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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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über die Lip­pen, hol­te tief Luft und sag­te: „Su­chen Sie viel­leicht Ih­re Kat­ze?“
     
    Ge­or­ge Dyer blieb ab­rupt ste­hen. Er blick­te hoch und ent­deck­te oben auf der Lei­ter ein Mäd­chen mit lan­gen, blo­ßen Bei­nen, oh­ne Schu­he. Pearl lag wie ein rie­si­ges wei­ßes Plüsch­kis­sen auf dem Schoß des Mäd­chens.
    Er run­zel­te die Stirn, wäh­rend er ver­such­te sich zu er­in­nern. „Wa­ren Sie die gan­ze Zeit da oben?“
    „Ja.“
    „Ich hab Sie gar nicht ge­se­hen.“
    „Nein, ich weiß.“
    Er fand ih­re Stim­me sehr an­ge­nehm. „Heißt Ih­re Kat­ze Pearl?“ frag­te sie. „Ja, ich woll­te sie ge­ra­de füt­tern.“
    „Sie sitzt schon den gan­zen Nach­mit­tag auf mei­nem Schoß.“
    „Den gan­zen Nach... Wie lan­ge sind Sie denn schon hier?“
    „Seit halb zwei.“
    „Seit halb zwei?“ Er blick­te auf sei­ne Uhr. „Aber es ist schon nach fünf.“
    „Ich weiß.“
    Pearl un­ter­brach die Un­ter­hal­tung, in­dem sie sich streck­te, sich mit ei­nem kla­gen­den Mi­au­en vom Schoß des Mäd­chens er­hob und die Lei­ter hin­un­ter­sprang. Laut schnur­rend strich sie um Ge­or­ges Bei­ne.
    Doch der igno­ri­er­te sie aus­nahms­wei­se. „Sind Sie aus ir­gend­ei­nem be­son­de­ren Grund hier?“ frag­te er.
    „O ja, ich bin ge­kom­men, weil ich Sie se­hen woll­te.“
    „Nun, in die­sem Fall wä­re es viel­leicht kei­ne schlech­te Idee, wenn Sie von der Lei­ter her­un­ter­stei­gen wür­den.“
    Das Mäd­chen stand, of­fen­sicht­lich steif ge­wor­den vom lan­gen Sit­zen, auf und stieg vor­sich­tig die Lei­ter hin­un­ter, wo­bei es sich das lan­ge Haar aus dem Ge­sicht strich. Im Ver­gleich zu Fran­ces Don­gen und all den an­de­ren braun­ge­brann­ten jun­gen Frau­en auf San An­to­nio war sie sehr blaß, mit glat­tem reh­brau­nem Haar, das ihr bis auf die Schul­tern reich­te, und ei­nem Po­ny. Ih­re blau­en Au­gen wirk­ten mü­de. Sie war hübsch, aber viel zu jung, um at­trak­tiv zu sein.
    „Wir ken­nen uns nicht, oder?“ frag­te er.
    „Nein. Nein, wir ken­nen uns nicht. Ich hof­fe, es macht Ih­nen nichts aus, daß ich ein­fach so in Ihr Haus ein­ge­drun­gen bin.“
    „Über­haupt nicht.“
    „Die Tür war nicht ver­rie­gelt.“
    „Sie hat kei­nen Rie­gel.“
    Se­li­na lä­chel­te, weil sie dach­te, er ma­che einen Scherz, doch of­fen­sicht­lich hat­te sie sich ge­irrt, al­so hör­te sie auf zu lä­cheln und ver­such­te dar­über nach­zu­den­ken, was sie als nächs­tes sa­gen soll­te. In ih­rem Un­ter­be­wußt­sein hat­te sie er­war­tet, daß er sie er­ken­nen wür­de, daß er sa­gen wür­de „An wen er­in­nern Sie mich nur?“ oder „Aber na­tür­lich, ich ha­be Sie schon ein­mal ge­se­hen, ir­gend­wann, ir­gend­wo“. Doch er sag­te nichts der­glei­chen, und sein Aus­se­hen brach­te sie zu­se­hends aus der Fas­sung. Da war kei­ner­lei Ähn­lich­keit mit dem sau­be­ren jun­gen Of­fi­zier mit den strah­len­den Au­gen, der ihr Va­ter ge­we­sen war. Sie hat­te zwar er­war­tet, daß er ziem­lich braun­ge­brannt sein wür­de, aber sie hat­te ganz und gar nicht da­mit ge­rech­net, daß sein Ge­sicht so fal­tig, sei­ne dunklen Au­gen so rot­ge­ädert wa­ren. Die Tat­sa­che, daß er drin­gend ei­ne Ra­sur nö­tig hat­te, trug noch zu sei­ner we­nig ver­trau­en­er­we­cken­den Wir­kung bei, ganz be­son­ders, da die kla­re Li­nie sei­ner Wan­gen­kno­chen und das Grüb­chen an sei­nem Kinn un­ter dunklen Stop­peln ver­bor­gen wa­ren. Au­ßer­dem schi­en er nicht im ge­rings­ten er­freut zu sein, sie zu se­hen.
    Sie schluck­te. „Sie... fra­gen sich si­cher­lich, wie­so ich hier bin.“
    „Nun ja, das fra­ge ich mich in der Tat, aber zwei­fel­los wer­den Sie es mir ir­gend­wann er­zäh­len.“
    „Ich bin hier­her­ge­flo­gen, von Lon­don aus... heu­te mor­gen, ges­tern abend. Nein, heu­te mor­gen.“
    Er hat­te plötz­lich einen schreck­li­chen Ver­dacht. „Hat Rut­land Sie ge­schickt?“
    „Wer? Oh, Mr. Rut­land, der Ver­le­ger. Nein, das hat er nicht. Er sag­te al­ler­dings, er wünsch­te, Sie wür­den sei­ne Brie­fe be­ant­wor­ten.“
    „Der Teu­fel soll ihn ho­len.“ Ihm kam ein an­de­rer Ge­dan­ke. „Sie ken­nen ihn?“
    „O ja. Ich bin zu ihm

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