Schlafender Tiger. Großdruck.
gegangen, um ihn zu fragen, wie ich Sie finden kann.“
„Wer sind Sie?“
„Mein Name ist Selina Bruce.“
„Ich bin George Dyer, doch ich vermute, das wissen Sie bereits.“
„Ja, ich weiß...“
Wieder schwiegen sie. George begann gegen seinen Willen neugierig zu werden. „Sie sind nicht zufällig ein Fan von mir? Vielleicht die Präsidentin des George-Dyer-Fanclubs?“ Selina schüttelte den Kopf. „Dann wohnen Sie im Cala Fuerte-Hotel und haben mein Buch gelesen?“ Wieder schüttelte sie den Kopf. „Dies ist wie ein Ratequiz, nicht? Sind Sie berühmt? Eine Schauspielerin? Singen Sie?“
„Nein, aber ich mußte Sie sehen, weil...“ Ihr Mut verließ sie. „Weil“, beendete sie den Satz, „ich Sie bitten muß, mir sechshundert Peseten zu leihen.“
George Dyer merkte, wie seine Kinnlade vor Überraschung herunterklappte. Rasch stellte er sein Glas ab, bevor er es fallen ließ. „Was haben Sie gesagt?“
„Können Sie“, erwiderte Selina langsam und deutlich, als spräche sie mit einem Schwerhörigen, „mir sechshundert Peseten leihen?“
„Sechshundert!“ Er lachte, allerdings ohne jede Spur von Humor. „Das soll wohl ein Witz sein!“
„Ich wünschte, das wäre es.“
„Sechshundert Peseten! Ich habe nicht mal zwanzig!“
„Aber ich brauche sechshundert, um den Taxifahrer zu bezahlen.“
George sah sich im Zimmer um. „Was für eine Rolle spielt der Taxifahrer in dieser Geschichte?“
„Ich mußte mir vom Flughafen nach Cala Fuerte ein Taxi nehmen. Ich hab dem Fahrer gesagt, Sie würden ihn bezahlen, weil ich kein Geld hatte. Man hat mir am Flughafen die Brieftasche gestohlen, während ich darauf wartete, ob mein Gepäck sich auffinden würde... Hier, sehen Sie...“ Sie holte ihre Handtasche, um ihm die zwei abgeschnittenen Riemen zu zeigen. „Die Guardia Civil sagte, es müsse ein sehr erfahrener Dieb gewesen sein, da ich nicht das geringste gemerkt habe, und mir ist nur die Brieftasche gestohlen worden.“
„Nur die Brieftasche. Und was war in dieser Brieftasche?“
„Meine Reiseschecks, etwas englisches Geld und einige Peseten. Ach ja“, fügte sie hinzu, „und mein Rückflugticket.“
„Ich verstehe“, sagte George.
„Und jetzt wartet der Taxifahrer im Cala Fuerte-Hotel. Auf Sie. Damit Sie ihn bezahlen.“
„Sie meinen, Sie haben vom Flughafen nach Cala Fuerte ein Taxi genommen, um mich zu finden, damit ich das Taxi bezahle. Das ist verrückt...“
„Aber ich habe es Ihnen doch schon erklärt... Sehen Sie, mein Gepäck kam nicht an...“
„Wollen Sie damit sagen, Sie haben auch noch Ihr Gepäck verloren?“
„Ich habe mein Gepäck nicht verloren. Sie haben es verloren. Die Fluggesellschaft.“
„Sie sind ja ein richtiger Jetsetter. Frühstück in London, Mittagessen in Spanien, Gepäck in Bombay.“
„In Barcelona war es noch da, aber sie vermuten, daß es von dort aus nach Madrid geschickt wurde.“
„Also“, sagte George wie ein routinierter Quizmaster, der noch einmal zusammenfaßt, „Ihr Gepäck ist in Madrid, und Ihre Brieftasche wurde gestohlen, und Sie wollen von mir sechshundert Peseten, um das Taxi zu bezahlen.“
„Ja“, erwiderte Selina, froh, daß er die Situation endlich erfaßt hatte.
„Und wie, sagten Sie, war Ihr Name?“
„Selina Bruce.“
„Nun, Miss Bruce, sosehr es mich auch freut, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, und so untröstlich ich natürlich über die Pechsträhne bin, in die Sie geraten sind, begreife ich immer noch nicht, was das alles mit mir zu tun hat.“
„Ich denke, daß Sie sehr viel damit zu tun haben“, sagte Selina.
„Ach, wirklich?“
„Ja. Sehen Sie... Ich glaube, ich bin Ihre Tochter.“
„Sie glauben...“
Seine erste Reaktion war, sie für verrückt
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