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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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auch her­ge­kom­men, denn Agnes hat ihn sehr gut ge­kannt. Und wenn mir nicht die Brief­ta­sche ge­stoh­len wor­den wä­re, hät­te ich auch nicht einen ganz so al­ber­nen Ein­druck ge­macht. Bis da­hin hat­te al­les gut ge­klappt. Ich hat­te die rich­ti­gen An­schluß­flü­ge ge­fun­den, und es war nicht mei­ne Schuld, daß mein Ge­päck nach Ma­drid ge­schickt wur­de.“
    „Sind Sie denn noch nie vor­her al­lein ver­reist?“ frag­te er un­gläu­big.
    „O doch, oft. Aber nur mit dem Zug zur Schu­le und so.“ Ir­gend et­was an sei­nem Ge­sichts­aus­druck weck­te den Wunsch in ihr, völ­lig ehr­lich zu sein. „Und dann war im­mer je­mand da, um mich ab­zu­ho­len ...“ Sie zuck­te mit den Schul­tern. „Sie wis­sen schon.“
    „Nein, ich weiß nicht, aber ich glau­be Ih­nen.“
    Sie be­gann die Sup­pe zu es­sen. „Wenn mein Va­ter wirk­lich Ihr Groß­cou­sin war, müs­sen Sie ver­wandt sein.“
    „Groß­cou­sin zwei­ten Gra­des.“
    „Das klingt schreck­lich ent­fernt, nicht wahr? Und ziem­lich ari­sto­kra­tisch. Ha­ben Sie mei­nen Va­ter ge­kannt?“
    „Nein, ich ha­be ihn nicht ge­kannt.“ Er run­zel­te die Stirn. „Wie war noch mal Ihr Vor­na­me?“
    „Se­li­na.
    „Se­li­na. Nun, wenn ich je­mals einen Be­weis brauch­te, daß Sie nicht mei­ne Toch­ter sind, hier ist er.“
    „Wie mei­nen Sie das?“
    „Ich hät­te kei­nem Mäd­chen einen sol­chen Na­men zu­ge­mu­tet.“
    „Wie wür­den Sie sie denn nen­nen?“
    „Ein Mann stellt sich sel­ten vor, Töch­ter zu ha­ben. Er denkt nur an einen Sohn. Ge­or­ge Dyer ju­ni­or, viel­leicht.“ Er hob sein Glas, als woll­te er sei­nem fik­ti­ven Sohn zu­pros­ten, und trank den Whis­ky aus. „Kom­men Sie, es­sen Sie Ih­re Sup­pe auf, da­mit wir Ih­ren Ta­xi­fah­rer su­chen kön­nen.“
    Wäh­rend er den Sup­pen­tel­ler und die Glä­ser in die Spü­le stell­te, wusch Se­li­na sich Ge­sicht und Hän­de in dem klei­nen Wasch­be­cken im Ba­de­zim­mer, kämm­te sich und zog Schu­he und Strümp­fe an. Als sie ins Zim­mer zu­rück­kehr­te, war er wie­der drau­ßen auf der Ter­ras­se, die Müt­ze auf dem Hin­ter­kopf, und be­ob­ach­te­te den Ha­fen durch sein Fern­glas.
    Se­li­na stell­te sich ne­ben ihn. „Wel­ches ist Ihr Boot?“
    „Das da.“
    „Wie heißt es?“
    „Eclip­se.“
    „Es sieht zu groß aus, um von ei­ner ein­zi­gen Per­son ge­se­gelt zu wer­den.“
    „Ist es auch. Ich ha­be nor­ma­ler­wei­se ei­ne Crew. Ich wer­de im­mer ein biß­chen ner­vös, wenn das Wet­ter schlecht wird.“ Er lä­chel­te. „Es kommt ein ziem­li­cher See­gang auf, und ich hab schon er­lebt, daß die Eclip­se sich los­ge­ris­sen hat.“
    „Aber dort ist sie doch in Si­cher­heit.“
    „Die Fel­sen ra­gen sehr tief ins Was­ser, man weiß nie, ob nicht doch et­was pas­siert.“
    Sie blick­te in den Him­mel. Er war be­wölkt und blei­ern. „Gibt es wie­der ein Un­wet­ter?“
    „Ja, der Wind hat ge­dreht. Der Wet­ter­be­richt war mi­se­ra­bel.“ Er ließ sein Fern­glas sin­ken und sah sie an. „Ha­ben Sie den Sturm letz­te Nacht mit­be­kom­men?“
    „Er hat uns über die Py­re­nä­en ge­jagt. Wir konn­ten kaum in Bar­ce­lo­na lan­den.“
    „Mir macht ein Sturm auf See nichts aus, aber ein Sturm in der Luft jagt mir To­des­angst ein. Sind Sie so­weit?“
    „Ja.“
    „Wir neh­men das Au­to.“
    Sie gin­gen ins Haus zu­rück, wo Ge­or­ge das Fern­glas wie­der auf den Schreib­tisch leg­te, wäh­rend Se­li­na ih­re Ta­sche nahm und der Ca­sa Bar­co ein stil­les Le­be­wohl sag­te. Sie hat­te sich so ge­nau vor­ge­stellt, wie es wä­re, hier zu sein, und nun ver­ließ sie das Haus nach we­ni­gen Stun­den schon wie­der. Für im­mer. Sie nahm ih­ren Man­tel.
    „Wo­für zum Teu­fel brau­chen Sie das?“
    „Das ist mein Man­tel. Es ist kalt in Lon­don.“
    „Hat­te ich ganz ver­ges­sen. Kom­men Sie, ge­ben Sie ihn mir.“ Er warf ihn sich über die Schul­ter. „Ein Gu­tes hat es je­den­falls, daß Ihr Kof­fer ver­schwun­den ist“, sag­te er. „So rei­sen Sie zu­min­dest mit leich­tem Ge­päck.“
    Sie ver­lie­ßen das Haus. Als Se­li­na das Au­to sah, glaub­te sie zu­nächst an einen Scherz. Es sah aus wie ein Um­zugs­wa­gen beim Kar­ne­val. Sie hät­te

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